Die Hure Und Der Moench
Er kann von mir aus einen Handstand vor dem Petersdom machen, mich rührt das nicht! Ich schreibe ihm, dass ich die Exkommunikation nicht anerkenne, dass niemand in Florenz sie anerkennt.«
»Wer soll die Botschaft überbringen?«, wollte Domenian wissen.
»Du, mein Sohn, denn du bist neben Domenico und Silvestro der einzige Mensch, an den ich noch glaube.«
»Aber Meister, du hast doch gesagt, ich soll mich unter den Florentinern umhören … ihre Sünden sind so zahlreich, ich bin noch gar nicht fertig mit meinem Register!«
Doch der Prior blieb dabei.
»Das hat Zeit. Du wirst dich morgen auf den Weg nach Rom machen. Es werden etwa sieben Tagesreisen zu Pferd sein.«
Er winkte Domenian, ihm in sein Gemach zu folgen, wo er mit Feder und Tintenfass an seinem Lesepult hantierte. Domenian ließ |102| seinen Blick durch die Zelle gleiten. Die Einrichtung war ihm vertraut: das vergoldete Kruzifix im Bilderrahmen, der Wandschrein und der Scherenstuhl. Er bewunderte Savonarola dafür, dass er auf dem nackten Boden schlief. Der Prior streute Sand über das Geschriebene, steckte es in einen papiernen Umschlag, goss heißes Wachs darauf, drückte ein Siegel hinein und händigte es Domenian aus. Die Glocke von San Marco läutete zur Vesper, dem vorletzten Stundengebet des Tages. Die Psalmen und Gebete drangen nicht bis zu Domenians Ohren durch. Er dachte an die Reise nach Rom. Würde er seine Botschaft erfolgreich überbringen können? Wie sah es draußen aus, gab es noch kriegerische Handlungen von versprengten Söldnern? Aber das würde besser sein, als sich hier der Gefahr der Ansteckung auszusetzen.
Seine Kindheit auf dem Land kam ihm wieder in den Sinn. Damals war er noch frei gewesen, hatte sich nicht mit Dingen herumschlagen müssen, die heute seine Welt verdüsterten. Beim Abendessen setzte er sich ein Stück weit von den anderen zu Tisch und löffelte nachdenklich seine Milchsuppe. Er war froh, als die Complet vorüber war und er sich in seine Zelle zurückziehen konnte. Etwa eine Stunde verbrachte er kniend vor dem Kruzifix an der Wand. Er hätte nicht übel Lust gehabt, sich wieder zu geißeln, denn sobald er mit sich allein war, stiegen sogleich sündige Gedanken in ihm auf. Aber er musste seine Kräfte für die Reise sparen. Morgen würde er in die Heilige Stadt aufbrechen, um dem Papst persönlich mitzuteilen, was Savonarola von ihm hielt. Etwas Wichtigeres gab es nicht.
|103| 12.
In den nächsten Tagen nahm Angelinas Bildnis immer mehr Gestalt an. Sie empfand jeden Pinselstrich des Malers so, als würde sie ein Stück zu ihm hinübergezogen. Doch er blieb gleichbleibend freundlich, arbeitete sorgfältig, auch an dem Ausschnitt des Kleides. Dieser wurde jetzt auch auf dem Bild von einem Schal verhüllt. So hatte Botticelli, der es jeden Abend inspizierte, nichts gegen die Ausführung einzuwenden. Nur der luxuriöse Stoff und das perlenbesetzte Haarnetz fanden immer wieder sein Missfallen. Am Mittag des vierten Tages meldete ein Diener einen Gast. Wer hatte sich hierher nach Grassina verirrt? Würden die Scroffas überhaupt Fremde hereinlassen? Es sei Tomasio, flüsterte die Gräfin Angelina zu, er wolle ihnen allen seine Aufwartung machen. Von der Pest sei er verschont geblieben. Angelina erschrak, es schien ihr, als wäre Tomasio Venduti ihretwegen gekommen. Wenn sie sich seine untersetzte Gestalt, die fleischigen Lippen und die Knollennase auch nur vorstellte, befiel sie ein tiefes Unbehagen. Da eilte er ihr auch schon entgegen, in schwarze Seide gekleidet und mit einem Samthut auf dem Kopf.
»Ich fühle mich sehr geehrt, Euch hier anzutreffen, Signorina Girondo«, begann er und nickte ihr zu.
»Es ist nicht an mir, Euch hier willkommen zu heißen«, erwiderte sie. »Die Familie Scroffa wird sich jedoch gewiss glücklich schätzen, Euch zu beherbergen.«
Er wirkte enttäuscht.
»Habt Ihr Angst, ich könnte den schwarzen Tod in mir tragen?«, fragte er. »Es sind keine Zeichen der Krankheit bei mir aufgetreten.«
»Nein, das hätte ich auch nicht vermutet«, versetzte sie. »Folgt mir, ich stelle Euch Signor und Signora Scroffa vor.«
|104| Sie fanden die beiden im Salon, mit einem Schachspiel beschäftigt. Signor Scroffa sprang auf, als er des Gastes gewahr wurde.
»Entschuldigt, hat mein Diener Euch nicht hereingeführt?«, fragte er und bot ihm die Hand.
»Wie ist die Lage in Florenz?«, wollte Gräfin Scroffa wissen, nachdem Tomasio Platz genommen hatte.
»Es steht schlimm um die Stadt«,
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