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Die Hure Und Der Moench

Die Hure Und Der Moench

Titel: Die Hure Und Der Moench Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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sich fast nackt mit dem tiefen Ausschnitt. Sie band sich ihren Schal darum.
    »Es nützt dir wenig, dich zu verhüllen, ich habe deinen Körper genau studiert«, scherzte er und lachte. Angelina lachte ebenfalls und dachte an den Kuss in der Nachmittagssonne. So saß sie etwa zwei Stunden in gespannter Aufmerksamkeit. Ob Francesco alle seine Modelle gleich behandelte? Mochte er einige lieber als die anderen? Liebte er sie, Angelina, wirklich? Angelina bewegte sich nicht, lauschte dem Singen einer Amsel und spürte den Schweiß in feinen Perlen den Rücken herabrinnen. Francescos Augen waren abwechselnd auf sie selbst und auf seine Staffelei gerichtet. Eine Weile schaute er ihr tief in die Augen, aber als er sich abwandte, merkte Angelina, dass er nur deren Ausdruck genau studiert hatte, um ihn möglichst lebensnah auf die Leinwand zu bringen. Gegen Ende der Sitzung strich er sich die Haare aus der Stirn.
    »Für heute können wir Schluss machen«, meinte er erschöpft. »Das wird ein Bild, Angelina, ich sage dir, das sollten deine Eltern nicht im eigenen Haus hängen lassen, sondern es vielen Menschen zeigen!«
    Angelina senkte beschämt die Augen, als sie das Porträt sah. War sie wirklich so schön wie auf diesem Bild? Ach, wenn sie doch wüsste, ob Francesco seine Worte ernst meinte!
    Den Rest des Tages verbrachte sie damit, den Kindern der Scroffas |99| Gedichte beizubringen. Giacomo und Lisetta stellten sich recht gelehrig an und brachten Angelina immer wieder mit Albernheiten zum Lachen. Fern der Krankheit, fern aller Pein und Tortur in der Stadt hatte sie hier ein Nest gefunden, in dem sie annähernd glücklich sein konnte.

|100| 11.
    Savonarolas Stimme war leiser, heiserer geworden. Trotzdem durchdrang sie die Stille der Kirche wie eine Drohung Gottes. Einige wenige Florentiner fanden inzwischen wieder zu ihm in die Kirche, sie hielten sich zwar ängstlich voneinander fern, lauschten aber den Worten des Predigers mit großer Hingabe. Nach dem Gottesdienst segnete er die Gläubigen und kündigte an, in der nächsten Zeit keine Predigten mehr zu halten, wegen der ›Strafe Gottes‹, die über die Stadt gekommen sei. Als die Letzten gegangen waren, schritt er mit Domenian zur Tür hinaus und schloss sie mit einem großen Bartschlüssel ab. Domenian dachte an die Nacht, als er die frechen Jungen im Dom angetroffen hatte, die Söhne der Kaufleute und reichen Patrizier. Ihm wurde kalt, obwohl die Hitze noch zwischen den Mauern der Häuser stand. Die Sonne näherte sich dem Horizont.
    »Lass uns noch zum Fluss hinuntergehen«, sagte Savonarola. »Ich brauche dringend frische Luft.«
    Er machte den Eindruck, als wenn eine Krankheit ihn von innen heraus verzehre. Eine andere Krankheit als die auf der Straße. Domenian versuchte, sich von dem Anblick der Toten, die an den Wegesrändern lagen, nicht in Angst und Schrecken versetzen zu lassen. Er schaute an den Badern in den schwarzen Gewändern vorbei, an den Mauern, auf denen rote Kreuze prangten. Ochsenwagen mit vermummten Männern zogen vorüber. Die Toten darauf waren mit Tüchern bedeckt, doch an manchen Stellen zeigten sich schwarze Arme und Beine. Es roch abscheulich nach Eiter, Kot und Erbrochenem. Die Leichenbestatter taten ihre Arbeit. Von den
Fanciulli
war heute nichts zu sehen. Die beiden Männer erreichten den Fluss, der grün schäumend vorbeifloss. Hier war die Luft in der Tat etwas |101| besser. Schweigend liefen sie am Ufer entlang, bis Savonarola das Wort ergriff.
    »Es macht mir Sorge, dass die Florentiner nicht mehr zu meinen Messen kommen. Nicht nur wegen der Seuche. Nichts ist schlimmer, als aus dem heiligen Bauch der Kirche ausgestoßen zu werden!«
    Domenian sah ihn verwundert an.
    »Versteh doch, Domenian«, sagte Savonarola eindringlich. Seine Hand umklammerte den Arm des Freundes. »Dieser Papst ist der größte Gegenspieler Gottes, er ist der Leibhaftige selbst! Soll man sich so einem Ausbund an Bösem nicht widersetzen?«
    »Ja, freilich«, versetzte Domenian. »Aber die Menschen haben Angst. Alles, was du versprochen hast, ist nicht eingetroffen. König Karl VIII. von Frankreich konnte Neapel nicht halten und hat sich aus unserem Land zurückgezogen, statt uns neuen Besitz an Land und Städten zu bringen.« Er wurde leiser. »Sie vertrauen dir nicht mehr.«
    »Was soll ich tun? Ich könnte Papst Alexander VI.«, er zerknirschte den Namen zwischen den Zähnen, »eine Botschaft zukommen lassen, nämlich, dass ich mich nicht geschlagen gebe.

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