Die Hure Und Der Moench
nichts mehr zu entscheiden. Wir sind mit euch, liebe Freunde, fortgegangen und haben es keinen Augenblick lang bereut. Gott schütze uns alle!«
Wie zur Bestätigung legte Sonia ihren Arm um seine Schultern und küsste ihn auf die Wange.
»Was für eine hübsche Geschichte!«, rief Eleonore aus. Alle klatschten in die Hände.
»Es ist ein Beispiel für die Grenzenlosigkeit der Liebe«, warf Francesco ein. »Mein Meister Botticelli hat Ähnliches erlebt. Nur, wie weit die Liebe bei ihm ging, konnte ich nie herausbekommen.«
»Auch mich hat diese Geschichte sehr berührt«, warf Angelina ein. »Nun würde ich gern deine hören, Sonia.«
Sonia wurde ein wenig rot und knetete ihre Hände im Schoß.
»Was gibt es über mich, eine Magd geringen Standes, schon zu erzählen?«, sagte sie mit leiser Stimme.
»Vor Gott ist keiner geringer als der andere«, entgegnete Angelina. »Und auch in unseren Augen nicht.«
»Also gut.« Sonia straffte ihren Oberkörper, ihre Augen blitzten, die Grübchen in ihren Wangen vertieften sich. »Ich wurde vor neunzehn Jahren auf einem Bauernhof im Mugello geboren. Das Leben hat mir nie etwas geschenkt. Von morgens früh bis Sonnenuntergang musste ich arbeiten. Während die feinen Herrschaften stolz in ihren geschmückten Wagen an mir vorbeifuhren, Feste in ihren Palästen feierten, von goldgerandeten Schüsseln aßen, an den |139| Springbrunnen saßen und plauderten oder auf der Laute spielten, lag ich abends auf meiner Strohmatratze und konnte nicht schlafen, so schmerzte mich der Rücken vom Steinesammeln, Rübenziehen, Melken und Käsemachen. Eines Tages erschien ein fein gekleideter Herr auf der Weide, wo ich meine Ziegen hütete. Er sagte mir, dass ich hübsch und zu etwas Besserem geboren sei als zu einem solchen Leben. Er kam jeden Tag, und jeden Tag wurde ich ein wenig weicher.« Sonia lachte verlegen, und ihre Augen suchten die von Lucas. »Schließlich ließ ich mich von ihm küssen, schließlich gab ich mich ihm hin im hohen, harten Gras am Waldrand. Dann kam er nicht mehr. Ich weinte mir die Augen aus, flehte Gott und die Welt an, dass er zurückkehren möge, jedoch verging Woche um Woche, ohne dass sich irgendetwas rührte. Mein Bauch begann sich zu runden. Die Eltern, die immer sehr auf meine Tugend geachtet hatten, waren außer sich. Mein Vater lief dunkelrot an. Wenn ich ihm den Namen nicht preisgeben würde, schlüge er mich windelweich! Ich sagte nichts. Er fand es aber doch heraus, denn das Ereignis war den Dorfbewohnern nicht verborgen geblieben. Und so ging er hin und erdolchte den Edelmann, als er während einer Jagd im Walde abgestiegen war und sein Pferd tränken wollte. Mein Vater wurde bald darauf enthauptet. Meine Mutter ertrug die Schande nicht, sie starb an gebrochenem Herzen.« Sonia sprach jetzt leiser, Angelina hatte Mühe, sie zu verstehen. »Ich aber ging in die Stadt, brachte mit Hilfe einer alten Vettel mein Kind auf die Welt und verkaufte Kleinigkeiten auf dem Markt. Meine kleine Perpita hatte ich meist bei mir. Eines Tages kam eine üppige, vornehme Dame auf mich zu, deren Schönheit noch lang nicht verblüht war. Sie schaute mir aufmerksam ins Gesicht.
›Du gefällst mir, meine Kleine‹, sagte sie. Ihr habt es schon richtig erraten: Es war Lukrezia Girondo, deine Mutter, Angelina. ›Ich brauche ein Dienstmädchen‹, fuhr die Frau fort. ›Willst du mir und meiner Familie dienen?‹ ›Aber was ist mit meinem Kind?‹, wollte ich wissen. ›Sie wird bei einer Schwester von mir untergebracht, die sich sehnlichst ein eigenes Kind wünscht. Es soll ihr an nichts |140| fehlen!‹ ›Warum tut Ihr das für uns?‹, fragte ich, innerlich zitternd, die Dame könnte es sich noch anders überlegen. ›Es ist so viel Unrecht geschehen in der letzten Zeit‹, gab Lukrezia zur Antwort, ›dass ein wenig Großmut nicht ausreichen wird, die Schuld zu tilgen, die andere auf sich geladen haben.‹ So kam ich in die Dienste dieser Familie.« Sie warf einen dankbaren Blick zu Angelina. »Aber auch ich erhielt Besuch von einem
Fanciullo
. Er fing mich in einem der Torbögen ab, da, wo der Schatten am tiefsten ist. ›Perpita ist ein Kind der Sünde!‹, zischte er mir zu. ›Sie wird nicht alt werden in dieser Welt der Verdammnis.‹ Ich aber verschloss meine Ohren vor diesen Drohungen, hatte von nun an ein Auge auf Perpita und beschwor Lukrezias Schwester, sie nicht aus den Augen zu lassen. Vollkommen wurde mein Glück, als ich Lucas im Gemüseladen begegnete,
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