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Die Hure Und Der Moench

Die Hure Und Der Moench

Titel: Die Hure Und Der Moench Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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Fischer sagte mir, dass er eine Gestalt gesehen habe, die an dem Abend von Matteos Tod aus dem Haus kam.«
    »Und das erzählst du mir erst jetzt?« Er schaute sie empört an, aber sie hatte den Eindruck, die Empörung sei nur gespielt.
    Angelina verschränkte die Arme. »Ich wusste nicht mehr, wem ich trauen sollte. Jeder von uns hätte es gewesen sein können!«
    »Dann hattest du also auch mich im Verdacht? Oh Gott!« Er drehte seine Augen zum Himmel. »Was sollte ich denn für einen Grund gehabt haben?« Sollte sie es sagen?
    »Du hättest ihn aus dem Weg haben wollen können, um zusammen mit Eleonore seine Reichtümer zu bekommen«, murmelte sie. Er lachte laut auf.
    »So dumm kann niemand sein«, stellte er fest. »Das wäre doch sehr bald aufgefallen!«
    »Ach, ich weiß nicht …«
    |133| »Ich wusste nicht, dass du so eifersüchtig bist«, stellte er immer noch vergnügt fest.
    Angelina stieß ihn in die Seite. Was bildete er sich eigentlich ein!
    »Und Lucas und Sonia? Hatten die auch einen Grund, ihn zu töten?«, fuhr Francesco fort.
    »Nein, gewiss nicht.«
    »Oder hätte Botticelli einen gedungenen Mörder schicken sollen, weil Matteo versuchte, Savonarola zu Fall zu bringen?«
    »Glaubst du wirklich, dass dein Meister zu so etwas fähig ist?«
    »Nun, er war sehr aufgebracht, als er uns verlassen hat.«
    »Signor Tomasio könnte auch einen Grund gehabt haben«, überlegte Angelina. »Aber der ist weit weg in Ravenna.«
    »Warum der?«
    »Weil er mich heiraten will, und weil Signor Matteo mich an dem Abend«, sie hüstelte, »bedrängt hat.«
    »Ach nein! Das ist von großer Wichtigkeit, finde ich.«
    »Ach ja, und wieso? Bist du etwa auch ein wenig eifersüchtig?«
    »Was für ein Unsinn! Ich meine doch Tomasio. Er war ebenfalls an dem Abend anwesend, als dein zukünftiger Ehemann erstochen wurde.«
    »Er könnte wirklich einen Beweggrund gehabt haben, aber er war zur Zeit der Tat nicht hier«, versetzte Angelina.
    »Vielleicht ist er weder nach Ravenna gefahren noch nach Florenz zurückgekehrt? Vielleicht hat er uns verfolgt?«
    Francesco seufzte. »Man könnte es ihm nicht verdenken.«
    »Die Hitze und der Gestank in Florenz müssen unerträglich sein …«
    »Ich hoffe wirklich, Botticelli ist nicht dorthin zurückgekehrt, sondern ins Mugello geflüchtet. Dieser Dickkopf!«
    »Francesco, darf ich dich noch etwas fragen?«
    »Aber gewiss!«
    »Es ist eine dumme Frage.«
    »Das ist mir gleich. Frag!«
    »Was ist eigentlich ›Sünde‹? Ist sie das, was uns von Gott trennt?«
    |134| Francesco blickte ihr ins Gesicht, umfasste es mit beiden Händen und küsste sie. Angelina genoss es; wie ein ferner Traum erschienen die Tage in Botticellis Haus vor ihrem inneren Auge.
    »Das«, beeilte er sich zu versichern, als sie sich voneinander lösten, »war keine Sünde. Manche Leute halten es dafür – ich nicht. Ich habe Thomas von Aquin gelesen«, fuhr er fort, »auch wenn deine Eltern nicht glauben wollten, dass etwas in mir steckt. Thomas von Aquin sagte, dass alles, was im rechten Maß geschehe, Tugend, alles, was mit Unmaß getan werde, Sünde sei.«
    Angelina atmete auf. »Dann kann das Bild, kann das Gewand, kann ich gar nicht sündig sein, weil es ja nicht im Unmaß geschehen ist, weder das Malen noch das Tragen des Kleides!«
    Francescos Miene wurde ernst.
    »Wer auch immer sich an deine Fersen geheftet hat, Angelina – er wird mit keinem Maß, das wir kennen, zu messen sein.«

|135| 15.
    Das Gewitter hatte sich verzogen. Nur noch wenige Tropfen fielen und zogen Kreise im graugrünen Wasser des Tiber. Als Domenian aufblickte, sah er einen Regenbogen über der Stadt. Gott hatte diesen Bogen geschaffen als Brücke zwischen sich und den Menschen, als Zeichen dafür, dass ihnen ihre Sünden vergeben werden sollten. Wer von den Menschen, fragte er sich, wird dieses Geschenk annehmen, wird überhaupt wissen, dass es ein solches Angebot gibt? Da niemand sich um die Gebote Gottes kümmerte, der Papst am allerwenigsten, war er, Domenian, dazu berufen, auf ihre Einhaltung zu achten, ja, darauf zu bestehen. Er wusste jetzt, was er zu tun hatte. Er sah im Geiste den weiten, mühseligen Weg, den er zurück nach Florenz reiten musste. Noch nie hatte er sich so einsam gefühlt. Ein ums andere Mal war er versucht, mit einer der jungen, geschminkten Huren zu gehen, aber er hielt sich gewaltsam zurück. Die ganze Welt kam ihm verdammt vor. Er irrte noch eine Weile in den Gassen der Stadt umher, fand die Kirchen

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