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Die Hure Und Der Moench

Die Hure Und Der Moench

Titel: Die Hure Und Der Moench Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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verschlossen. Die Straßen waren aufgewühlt und schlammig vom Regen. Er war froh, als er am nächsten Tag weiterziehen konnte. Domenian hatte begriffen, dass er Savonarola zur Seite stehen musste, was auch immer geschehen würde.

|136| 16.
    »Was meinst du, Francesco, wie lange die Seuche noch wüten wird?«, fragte Angelina auf dem Rückweg.
    »Üblicherweise flaut sie erst ab, wenn die große Hitze des Sommers vorüber ist.«
    Was für eine lange Zeit, dachte Angelina. Wie sollten sie sich die endlosen, heißen Tage, wie die warmen, trotz allen Elends duftenden Nächte hier vertreiben, die immer noch voller Geheimnisse waren und bleiben würden?
    Francesco blickte sie von der Seite an, als hätte er ihre Gedanken erraten. Ihr wurde heiß.
    »Wir könnten uns doch an den kommenden Abenden gegenseitig Geschichten erzählen, um uns die Zeit zu vertreiben«, sagte sie hastig.
    »So, wie einst die jungen Menschen bei Boccaccio?«, fragte Francesco.
    »Ja, an die hatte ich gedacht.«
     
    Am Abend, nachdem die Diener das Geschirr abgeräumt hatten und die Kinder ins Bett gebracht waren, bat Eleonore ihre Gäste auf die Terrasse hinaus. Ein frisches Lüftchen kam vom See herüber. Der Mond warf eine zitternde Bahn auf das Wasser, und die Grillen zirpten, als gelte es, einen Wettbewerb zu gewinnen. Das blonde Haar der Gräfin schimmerte. Wie schön sie war! Nun erhob Eleonore ihre Stimme.
    »Meine lieben Freunde, die ihr euch hier versammelt habt, ihr seid gekommen, um mit mir und meinem geliebten Mann dem sicheren Tod zu entfliehen. Und er hat ihn gefunden, durch eines ruchlosen Menschen Hand.« Eleonore hielt einen Herzschlag lang |137| inne und strich sich über die Stirn, wie, um ihre Trauer zu verbergen. »Doch von dort, wo er jetzt ist, schaut er freundlich auf uns herab und will uns sagen: Trauert nicht länger um mich, für mich ist es vollbracht. Wendet euch dem Leben zu, genießt seine Freuden, solange die Umstände es zulassen! Und so habe ich beschlossen, einen Vorschlag von Francesco und Angelina aufzunehmen, der da lautet: Erzählt euch gegenseitig Geschichten, um die langen, heißen Tage frohgemuter zu ertragen, esst und trinkt mit Maßen, tanzt und macht Musik und Verse!«
    Sie begaben sich hinüber auf die Terrasse und ließen sich in zierlichen Korbsesseln nieder. Ein Diener brachte gekühlten Zitronensaft, eine Glaskaraffe mit Wein und hochstielige Noppengläser. Lucas streifte die Ärmel seines Hemdes zurück.
    »Dann will ich einmal beginnen«, meinte er lächelnd. »Keiner von euch weiß es, aber ich werde diese Zeit nie vergessen. Vor langen Jahren warb ich um ein Mädchen namens Appollonia. Sie war süßer als der Honig der Bienen und frischer als eine Blüte im April. Wohin auch immer sie sich bewegte, die Herzen der Menschen waren ihr zugetan. Ihr, liebe Freunde, könnt euch vorstellen, wie es mich beglückte, als sie mich erhörte. Ein rauschendes Hochzeitsfest wurde gefeiert, meine Familie sparte an nichts, um uns beide zu erfreuen. Aber nicht lange währte die junge Liebe. Im Kindbett wurde meine Frau von mir gerissen.«
    Sonia entfuhr ein Laut der Bestürzung. »Ich war lange wie innerlich erstarrt«, fuhr Lucas fort, »Abend für Abend saß ich traurig unter meiner Öllampe und überließ mich meinen trüben Gedanken. Eines Tages nun trat ein neuer Mensch in mein Leben: Sonia. Sie brachte es fertig, mich wieder ins Leben zu rufen. Die Sonne strahlte jeden Tag ein wenig heller, die Vögel sangen ein wenig melodischer und die Blumen blühten noch einmal so schön. Nacht für Nacht erschien mir Appollonia im Traum, und ich verging fast vor Scham, ihr meine neue Neigung zu gestehen. Sie aber sagte: Lucas, die Toten machst du nicht wieder lebendig, lass sie ruhen. Dein Leben ist dir nur einmal geschenkt, warum sollst du es in |138| Trauer um etwas Verlorenes verbringen? Ich nahm das in meinem Herzen auf und warb weiter um Sonia. Eines Tages bekam ich Besuch von einem dieser
Fanciulli.
Savonarola habe ihn geschickt, sagte er und machte eine Drohgebärde. Lucas versündige sich schwer an seiner Gattin und vor Gott. Was er einmal sich gegenseitig anvertraut, das soll der Mensch nicht scheiden. Ich würde mit einer Magd in Sünde leben, ohne das der Bund von Gott geheiligt sei. Wenn ich dieses Verhältnis nicht beende, werde etwas Schlimmes geschehen. Ich sprach mit meiner Sonia darüber. Sie sagte mir, es sei meine freie Entscheidung, ob ich an ihr festhalten wolle. Aber da kam die Pest, und es gab

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