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Die Hure Und Der Moench

Die Hure Und Der Moench

Titel: Die Hure Und Der Moench Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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hat. Und die Franziskaner von Santa Croce und die Dominikaner von Santa Maria Novella haben sich an die Spitze derer gesetzt, die uns lieber heute als morgen brennen sehen würden! Ich habe meinen Tod vorausgeahnt und das einigen Menschen schon mitgeteilt.«
    Erschrocken fiel ihm Domenian ins Wort: »Du wirst nicht sterben! Ich werde das verhindern. So gottverlassen kann doch niemand sein, dich auf den Scheiterhaufen zu bringen!«
    Savonarola winkte mit einer herrischen Bewegung seiner Knochenhand ab und erhob sich mühsam.
    »Gottes Wege sind unergründlich, mein Sohn. Aber wir werden vor den Menschen, die sich dem Teufel verschrieben haben, nicht in die Knie gehen.« Er schlug dreimal das Kreuz. »Sobald die Pest verschwunden ist, Gott helfe uns, sie unbeschadet zu überstehen, werden wir den alten Zustand wieder herstellen. Die Leute brauchen große Ereignisse und Taten, Wunder, um sich uns wieder anzuschließen.« Er überlegte eine Weile. »Es hat sich wieder zu viel Luxus angesammelt. Die Menschen brauchen ein neues Fegefeuer |153| der Eitelkeiten, und durch das Verbrennen der sündhaften Gegenstände sollen sie gereinigt werden!«
    »Ich folge dir, mein Frate, wohin auch immer du gehst«, sagte Domenian, und das war die Wahrheit.
    In seiner Zelle kniete er sinnend vor dem Bild ›Noli me tangere‹ von Fra Angelico. Es war ein kleines Werk über die Auferstehung des Erlösers. Jesus bedeutet Maria Magdalena, ihn nicht zu berühren. Nein, mich soll niemand mehr berühren, dachte Domenian. Ich weiß, wozu ich auf der Welt bin. Mein Platz ist an der Seite meines Meisters. Und meine eigenen Prophezeiungen, die ich mit niemandem teile, werden ebenfalls in Erfüllung gehen.
    Rühr mich nicht an. Rühr mich nicht an, du Teufel, du Ungeheuer der Hölle und der tiefsten Verderbnis! Nur dich, dem Engel, will ich mich ergeben, will ich folgen, wohin auch immer er mich führt. Das Weib, die große Versucherin, werde ich für immer aus meinem Herzen reißen! Domenian kniete auf dem Boden nieder. Inbrünstig schaute er zu dem Bild empor. Stunden verharrte er so auf dem harten Steinboden. Seine Lider sanken herab. Er begann sich zu erheben, zu fliegen, flog über die Dächer der Stadt, über die flachen Hügel bis zum Bauernhaus, in dem die Frau Wasser aus einem Brunnen schöpfte. Sie hatte das Gesicht und die Gestalt des Engels. Er rief sie an, sie winkte ihn zu sich. Immer näher kam er ihr. Da verzogen sich die hübschen Züge, der Kopf begann zu wachsen, sich zu verzerren. Schließlich grinste ihm eine Teufelsfratze entgegen, die Gestalt wand sich um sich selbst, und es stank nach Schwefel.

|154| 18.
    Angelina eilte den Weg zum See hinunter, sah und hörte nichts mehr. Ziellos lief sie immer weiter am Wasser entlang. Ihre Welt war mit einem Mal zusammengebrochen. Was hatte sie nur dazu bewogen, alles hinter sich zu lassen? Sie könnte jetzt bei ihrer Familie sein, ihre Mutter würde ihr Marzipantörtchen zustecken und sich über die Eskapaden ihres Mannes beklagen. Oder sie würde ihren unvergleichlichen Rindfleischeintopf kochen. Wie es ihnen wohl erging? Angelina hatte nur noch einen Gedanken im Kopf: Sie wollte nach Hause, auf das Landgut, auf dem sich ihre Eltern und Geschwister befanden. Oder hatte die Pest sie schon hinweggerafft? Hatten die
Fanciulli
ihnen etwas angetan? Am liebsten wäre Angelina sofort zu einem der Wagen gegangen, hätte das Pferd einspannen lassen und wäre nach Florenz gefahren, aller Krankheit und Gefahr zum Trotz. An einer Weide, die ihre Zweige traurig ins Wasser hängen ließ, machte sie Halt. Sie schaute über den See mit seinen Inseln, sah die dahinter aufragenden Berge. Wie nahe waren sie und Francesco sich gekommen! Und das sollte nun alles vorbei sein? Das Blut schoss Angelina ins Gesicht. Aus den Wolkenbergen schossen einzelne Blitze, es grummelte und hallte von den Kuppen wider. Leise Schritte näherten sich, und sie schlug sich hastig in die Büsche, wo sie verharrte, bis Francesco, ohne sie zu bemerken, vorbeigegangen war. »Angelina! Angelina!« hörte sie ihn aus der Ferne rufen, aber sie antwortete nicht. Die Mücken zerstachen sie, aber sie regte sich nicht. Endlich kehrte er um, und sie schlich sich nach einer Weile nach Hause.
    Auf dem Heimweg erwartete sie jederzeit, in den Regen zu geraten, aber das Gewitter ließ sich Zeit. Es war unerträglich schwül geworden. Plötzlich erstarrte sie. Sie sah Eleonore und Francesco im |155| Garten auf einer Bank sitzen. Die beiden

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