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Die Hure Und Der Moench

Die Hure Und Der Moench

Titel: Die Hure Und Der Moench Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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hielten sich an den Händen. Eleonore strich Francesco über das Haar, dann näherte sie ihr Gesicht dem seinen. Angelina schaute weg und atmete tief durch, um ihr stark klopfendes Herz zu beruhigen. Es war also tatsächlich so, wie sie gedacht hatte. In Wahrheit liebte er Eleonore, hatte sie immer schon geliebt! Und sie, Angelina, hatte sich dazu herabgelassen, ihn zu küssen! Hatte sie ihn nicht tagelang gepflegt, als in Florenz die Pest herrschte? Ein fader Geschmack bildete sich in ihrem Mund. Sie beschloss, so bald wie möglich von hier fortzugehen. Doch wohin? Ihre Familie hatte sie verstoßen. Angelina ging auf ihr Zimmer und schaute aus dem Fenster. Über die Hügel Umbriens senkte sich allmählich die Dämmerung.
    Eine der Mägde rief zum Abendessen. Angelina straffte ihre Schultern und begab sich zur Treppe. Jede Stufe erschien ihr wie eine Hürde. Aber sie musste es schaffen, gleichmütig zu wirken, musste diese Posse durchstehen. Was sollten die anderen, was die Diener von ihr denken, wenn sie sich gehen ließ und weinte wie ein kleines Kind? Die Familie und Freunde waren schon um den Tisch versammelt. Nachdem auch Angelina Platz genommen hatte, wurden eine kalte Gemüsesuppe und weißes Brot mit Butter aufgetragen. Obwohl Angelina keinen Appetit verspürte, aß sie so viel wie immer, um nicht weiter aufzufallen. Den forschenden Blicken Francescos wich sie aus. Sie aßen schweigend, bis Eleonore das Wort ergriff.
    »Was unsere Geschichten betrifft, zähle ich auf eure Diskretion, meine Freunde. Dieser Mann, von dem ich sprach«, sie blickte Angelina an und da war etwas wie Scham in ihren Augen, »seinen Namen kann ich euch leider nicht nennen. Ihr sollt nur wissen, dass ich glaube, damit große Sünde auf mich geladen zu haben, und dass …«, sie stockte, »… mir deswegen Matteo von der Seite gerissen worden ist.«
    »So etwas darfst du nicht denken, Eleonore«, sagte Francesco und winkte dem Diener, neuen Wein zu bringen. Angelina war fast froh, das seine Aufmerksamkeit von ihr abgelenkt war.
    |156| Nach dem Essen zog sie sich auf ihr Zimmer zurück, wo sie sich angezogen auf das Bett legte und zur Decke starrte. Nun mal ernsthaft, fragte sie sich, was kann ich in meiner Lage tun? Angelina starrte an die Decke, bis das zarte Weinrebenmuster, mit dem diese bemalt war, vor ihren Augen verschwamm.
    Dann fiel ihr etwas ein.
    Endlich glitt sie in einen leichten, traumlosen Schlaf. In der Nacht glaubte sie, jemand habe an ihre Tür gepocht, doch sie regte sich nicht. Als am Morgen die ersten Hähne krähten, stand sie auf, zog ihr graues Reisekleid an, packte ihren Beutel und schlich die Treppe hinunter zur Küche. Die Diener und Mägde waren noch nicht aufgestanden. Angelina tastete sich im Halbdunkel voran, sie wagte kein Licht anzuzünden. Ein Brot und ein Stück Schinken steckte sie in ihren Beutel. Vorsichtig schaute sie sich um. Alles still. Sie trat aus der Tür in den frischen Morgen hinaus.

|157| 19.
    Francesco bemerkte Angelinas Verschwinden schon kurz bevor er aufgestanden war. Etwas hatte sich verändert, er spürte es genau. Sangen die Vögel nicht leiser als sonst? War die Morgensonne von einer Wolke bedeckt? Angelina war gestern Abend ohne Gruß in ihr Zimmer gegangen. Hatte sie ihn möglicherweise im Garten gesehen, nachdem er so niedergeschlagen von seiner erfolglosen Suche nach ihr zurückgekehrt war? Wie Eleonore ihn darauf getröstet hatte? Das durfte nicht wahr sein! Seine Ahnung wurde zur Gewissheit, als er zu den anderen herunterkam, die schon beim Frühstück saßen.
    »Weißt du, wo Angelina ist?«, fragte Eleonore ihn.
    »Ich dachte, sie wäre zum See hinübergegangen«, fiel Sonia ein. »Und bin dorthin gelaufen, aber ich habe sie nirgends entdeckt.«
    »Ich glaube, sie ist abgereist«, sagte Francesco mit trüber Stimme.
    »Aber warum denn?«, rief Lucas. »Hier ist doch der einzig sichere Ort!«
    »Wohin könnte sie nur gegangen sein?«, überlegte Eleonore.
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Sonia. »Vielleicht nach Florenz oder zum Landsitz ihrer Eltern?«
    »Das glaube ich nicht«, meinte Francesco. »Zu ihren Eltern traute sie sich nicht zurück. Und in Florenz herrschen die Pest und Savonarola.«
    »Wir können das Mädchen nicht allein durch die Lande irren lassen«, gab Lucas unruhig zu bedenken.
    »Lasst uns im Dorf nachfragen«, entschied Eleonore. »Möglicherweise hat jemand sie gesehen.«
    Hastig beendeten sie ihr Frühstück und eilten zum Dorf hinüber. Ein

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