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Die Hure Und Der Moench

Die Hure Und Der Moench

Titel: Die Hure Und Der Moench Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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Befürchtungen. Er freute sich nicht darüber, zurückzukehren, er freute sich eigentlich über gar nichts mehr. Die Hitze des Tages stand noch in den Straßen und Gassen, doch sie waren entvölkert. Nur das Lumpengesindel trieb sich herum, die Huren mit ihren rotgeschminkten Mündern, hier wie anderswo. Wie um einen Gegensatz zu bilden, zogen Scharen von
Fanciulli
umher und sangen ihre Bittlieder. »Hilf, Maria, hilf, Herr Jesus, aus tiefster Not schreien wir zu dir!«, beteten sie monoton, ununterbrochen. Bader mit Pestmasken und schwarzen Gewändern hasteten in den Gassen umher. Es roch nach Blut, nach Eiter und Verwesung. Die Zahl der verbarrikadierten Häuser hatte sich vervielfacht, und das Stöhnen der Sterbenden und das Rumpeln der Karren begleiteten ihn. Die Fassade der Kirche San Marco ragte wie ein Fingerzeig vor ihm empor. Auf dem Friedhof sah er einige neue Holzkreuze. Wenigstens waren die Brüder nicht in den Massengräbern verscharrt worden!
    Die Fresken von Fra Angelico im Inneren des Klosters wirkten tröstlich auf Domenian. Dieser Mönch, auch Beatus, der Selige genannt, hatte es verstanden, sein Leben und seinen Auftrag auf Erden in Einklang zu bringen. Wenn es ihm, Domenian, doch auch gelingen möge!
    Der Bruder Infirmarius eilte an ihm vorbei. Er erkannte ihn nur an seinem leicht watschelnden Gang, denn er hatte eine Pestmaske vor dem Gesicht. Das ganze Kloster roch nach Tod. Kein Auge, in das er blickte, war von Hoffnung erfüllt. Hätte er nicht lieber dort bleiben sollen, wo er herkam?
    Einige Zeit später betrat Domenian das Schiff der Kirche. Savonarola |151| erwartete ihn beim Altar. Er kniete im Gebet versunken davor. In den drei Wochen seiner Abwesenheit hatte sich der Prior stark verändert. Sein Gesicht war von tiefen Falten durchzogen. Das Glühen, das ihn immer von innen zu zerfressen schien, war fast erloschen. Seine braune Kutte sah schäbig und verfleckt aus. Was war nur aus dem starken Redner geworden, der Zehntausende mit seinen Predigten hatte begeistern können?
    Domenian wartete und betrachtete ein Gemälde mit der Darstellung des Jüngsten Gerichts. Solche Qualen wie diese armen Seelen würde er nicht erdulden müssen. Savonarola erhob sich mühsam. Mit leiser Stimme begrüßte er Domenian.
    »Du bist später zurückgekehrt, als wir vereinbart hatten.«
    »Ich wurde in Rom aufgehalten.«
    »Hast du deinen Auftrag erfüllt?«
    »Ja, ich habe dem Papst gesagt, er sei nicht befugt, dich zu exkommunizieren, da er sein Amt nicht so ausfülle, wie es ihm von Gott aufgetragen wurde.«
    »Und, was hat der Papst gesagt?«
    Domenian senkte den Kopf.
    »Das hatte ich mir gedacht«, murmelte Savonarola. Er wankte und ließ sich auf einer Bank nieder.
    »Domenian, wir sind in großer Gefahr! Nein, nicht, was du denkst, nicht wegen des schwarzen Todes allein«, sagte er leise. »Ich habe noch viele Brüder auf das Land schicken können, um ihnen eine Erkrankung zu ersparen. Nein, es ist Folgendes: Alexander VI. kann uns zwar nichts anhaben, aber aus den Reihen der Gläubigen wird viel Übles über uns ausgeschüttet.«
    »Was bedeutet das, mein Frate?«
    »Inzwischen mussten wir wegen der Pest die Predigten völlig einstellen. Viele Brüder sind erkrankt oder verstorben. Bruder Infirmarius kann nichts mehr ausrichten, auch wenn er sich noch so gut auf die Medizin versteht. Und fast jeden lieben Tag erhalte ich einen Schmähbrief.«
    »Was wird dir vorgeworfen?«
    |152| »Dass alles, was ich prophezeit habe, eine Lüge gewesen wäre. Statt neue Städte und Landbesitz zu erobern, hätte König Karl VIII. von Frankreich feige die Flucht ergriffen. Dann ist der schwarze Tod über die Stadt gekommen, und ich sei nicht in der Lage, etwas dagegen auszurichten. Dabei habe ich immer gesagt, ich habe es in die Herzen der Menschen hineingehämmert, dass diese Krankheit die Strafe Gottes für die Sünden ist, die sie begangen haben!«
    »Dieser Ansicht bin ich auch, mein Frate.«
    »Das Blatt hat sich gewendet.« Savonarola atmete tief ein.
    »Kürzlich haben diese Patriziersöhne Steine gegen die Fenster unserer Kirche geworfen. ›Savonarola, verschwinde!‹, haben sie gerufen. ›Savonarola soll brennen!‹ Immer wieder werfen sie Steine. Manchmal sind Zettel daran befestigt, auf denen steht: ›Fahr zur Hölle, Mönch, wir wollen unsere Medici wiederhaben!‹ Gott weiß, welchen Frevel sie begehen! Wahrscheinlich haben sie schon vergessen, wie der Schwächling Piero Medici unsere Stadt verraten

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