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Die Hure Und Der Moench

Die Hure Und Der Moench

Titel: Die Hure Und Der Moench Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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sich rot und gelb. Angelina hatte an ihre Eltern geschrieben und Grüße an ihre Geschwister ausrichten lassen, jedoch keine Antwort erhalten. Wenn sie abends beieinandersaßen, nachdem die Tante ihre einzige Kuh, ihre Hühner und den Esel versorgt hatte, erzählte Bergitta aus ihrem Leben.
    »Mit meiner Schwester Lukrezia, deiner Mutter, war ich immer herzlich verbunden«, sagte sie. »Doch unsere Auffassung vom Leben war und ist sehr verschieden. Lukrezia wollte immer hoch hinaus. Das Weinbauerndorf gefiel ihr nicht mehr, als sie größer wurde. Sie wollte in der Stadt leben, wollte Kinder haben, am gesellschaftlichen Leben teilnehmen, gut essen und trinken.«
    »Das hat sie auch erreicht«, warf Angelina dazwischen.
    »So ist es«, meinte Bergitta. »Und sie hat noch mehr erreicht, als sie es sich in den schönsten Träumen hätte ausmalen können: Der Reichtum ihrer Familie wuchs, auch, da dein Vater mit den Medici befreundet war. So konnte er zu dem Landsitz bald auch noch das Stadthaus kaufen.«
    »Wie haben sich meine Eltern eigentlich kennengelernt?«, fragte Angelina. »Sie haben nie darüber gesprochen.«
    |169| Ihre Tante schaute sie nachdenklich an.
    »Lukrezia wollte höher hinaus, wie ich schon sagte. Ich selbst habe es vorgezogen, hierzubleiben, einen Mann aus dem Nachbardorf zu heiraten und mein Leben einfach, aber glücklich zu leben. Leider ist mein Mann früh verstorben. Danach wollte ich keinen mehr. Lukrezia also ging nach Florenz, um ihr Glück zu machen. Unsere Eltern wollten sie nicht ziehen lassen, aber Lukrezia war halsstarrig und bestand auf ihrem Plan. Da gaben unsere Eltern nach und versahen sie mit dem Nötigsten. Später hörten wir, dass sie sich als Näherin verdingt hatte, jedoch war ihr Verdienst zu gering, als dass sie davon hätte leben können. Sie landete schließlich in einem Dirnenhaus.«
    Angelina erschrak heftig. Ihre Mutter war eine Dirne gewesen?
    »Das glaube ich nicht«, sagte sie. »So eine ist meine Mutter nicht! Das sind gewiss bösartige Verleumdungen.«
    »Wenn ich es doch sage, Angelina … Viele Mädchen vom Land sind dort gelandet.«
    »Warum ist sie nicht nach Hause zurückgekehrt?«, fragte Angelina.
    »Lukrezia war zu stolz, glaube ich. Glücklicherweise kam ein Mann namens Lorenzo Girondo häufig in das Haus und wollte bald keine andere mehr bei sich liegen haben. Sie ging nach einigen Monaten mit einem Kind schwanger.«
    »Das Kind war … ich?«
    Angelina wusste nicht, was sie von dieser Enthüllung halten sollte. Einerseits schämte sie sich, andererseits war sie froh, dass ihre Mutter dem selbstverschuldeten Schicksal entronnen war.
    »Bevor es zu offensichtlich wurde«, fuhr Bergitta fort, »heiratete Lorenzo sie und nahm sie in seinem Stadthaus auf. Es hat also ein gutes Ende genommen für meine Lukrezia.«
    »Was meinen Vater aber nicht daran hinderte, ständig jungen Mädchen nachzustellen«, fügte Angelina hinzu. »Ich glaube, deshalb hat meine Mutter ständig so viel Süßes gegessen.«
    »Das Kochen und Essen liegt uns im Blut«, sagte Bergitta lächelnd. |170| »Im Herbst, wenn die Weinlese eingebracht wird, verdiene ich mir nicht nur mit der Beherbergung der Landarbeiter etwas hinzu, sondern ich koche auch leidenschaftlich gern für sie. Meine
Ravioli Ignuti
sind weit und breit bekannt!«
    »Die nackten Ravioli?«
    »Ja, aber auf Wunsch fülle ich sie auch mit einer Fleischsoße. Dazu Stücke von halbjährigen Lämmern, Rindskoteletts …«
    Angelina vergaß für einen Augenblick lang ihren Kummer, das Wasser lief ihr im Mund zusammen.
    »Das müsst Ihr mir einmal servieren, Tante Bergitta, bevor ich zurück nach Florenz gehe!«
    »Ich vermisse dich jetzt schon bei dem Gedanken, dass du gehst«, meinte Bergitta. Ihre Augen waren feucht. »Du bist mir in der kurzen Zeit sehr ans Herz gewachsen. Ich selber habe ja leider nie Kinder gehabt. Hör zu, ich werde ebenfalls einen Brief an Lukrezia schreiben, und dann sehen wir, ob sich ihr und deines Vaters Herz nicht doch noch erweichen lassen.«
    In den folgenden Tagen dachte Angelina viel über das nach, was die Tante ihr erzählt hatte. Wann immer sie eine Pause einlegte oder allein war, nachts in ihrem Bett, standen die Bilder und Ereignisse ihr vor Augen. Warum hatte ihre Mutter ihr nie davon erzählt, dass sie, Angelina, eigentlich ein Bastard war, der nur durch die nachträgliche Heirat legitimiert wurde? Und ihre Lebensgier, ihr Streben nach Reichtum und Ansehen. Trotzdem konnte Angelina sie

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