Die Hure Und Der Moench
gekommen. Sonia und ich möchten heiraten und in Florenz gemeinsam den Laden betreiben.« Er schaute Sonia zärtlich in die Augen. »Aber mir graut vor dem, was wir dort vorfinden könnten! Die Worte der
Fanciulli
habe |173| ich nie vergessen. Ich bin mir keiner Sünde bewusst, aber ich wurde von dem Jungen schwer bezichtigt.«
»Wenn ihr heiratet, ist ja der Vorwurf der Sünde entkräftet!«, meinte Eleonore.
»Das stimmt«, entgegnete Lucas. »Aber wie, wenn Savonarola wieder erstarkt? Gewiss weiß man darum, dass wir eng mit Matteo verbunden waren. Und er musste sicher sterben, weil er sich gegen Savonarola gestellt hat. Wie, wenn uns das gleiche Schicksal bei der Rückkehr droht? Auf der anderen Seite ist es meine Heimat, und was auch immer mit dem Laden geschehen ist, wir können ihn wieder herrichten, wir haben ja nichts anderes.«
»Ich kann euch unterstützen, mit Geld und Rat«, bemerkte Eleonore.
»Das werden wir brauchen können«, antwortete Lucas. »Ich hatte vor, spätestens Anfang Oktober nach Florenz zurückzugehen. Einen der Eselskarren könnten wir mit Vorräten beladen.«
»Das sind Pläne, die mir gut gefallen«, sagte Francesco. »Hast du dir das auch so vorgestellt, Sonia?«
In Sonias Gesicht erschienen Grübchen.
»Das haben wir uns zusammen ausgedacht«, meinte sie. »Und dann können wir auch meine Perpita zu uns holen.«
Eleonore lächelte wehmütig.
»Ich habe hier meinen Mann und damit einen Teil meines Lebensglückes begraben. Aber ich trage Verantwortung für meine Kinder, und deshalb klage und verzage ich nicht, sondern richte meinen Blick nach vorn. Auch ich habe Angst vor dem, was in Florenz geschehen könnte. Ich glaube fest daran, dass Savonarola befohlen hat, Matteo zu töten.«
»Aber woher hätte er wissen sollen, wo er sich befand?«, fragte Francesco.
»Die
Fanciulli
haben ihre Augen und Ohren überall », bemerkte Lucas.
»Ich werde dennoch nach Florenz zurückkehren«, fuhr Eleonore fort. »Meine Kinder werde ich zu meiner Schwester in Sicherheit |174| bringen und das Erbe Matteos verwalten. Ich werde neue Diener nehmen, und ich werde sie gut aussuchen. Eines aber schwöre ich euch.«
Gespannt blickten die anderen sie an. Ihre Augen blitzten.
»Ich werde nicht ruhen, bis diesem Teufel, der all das verschuldet hat, das Handwerk gelegt wird! Diejenigen, die gegen ihn sind, werde ich mit aller Kraft unterstützen. Ich werde Matteos Werk fortführen.«
»Damit bringst du dich in große Gefahr, Eleonore«, warnte Francesco.
»Das ist mir einerlei. Savonarola hat mein Leben zerstört, er ist es nicht wert, weiterzuleben und seine falschen Heilslehren auch künftig zu verbreiten.«
Francesco seufzte.
»Was mich betrifft, so bin ich ein Geselle ohne Meister. Leider habe ich nichts anderes gelernt als das Gerber- und das Malerhandwerk. Um mir eine Werkstatt zu mieten oder zu kaufen, fehlt es mir an Mitteln.«
»Ich könnte …«, fing Eleonore an.
»Nein, liebe Cousine, dann würde ich auf ewig in deiner Schuld stehen. Ich werde versuchen, zu Botticelli zurückzukehren. Vielleicht hat sich sein Zorn inzwischen abgekühlt. Du weißt, ihm verdanke ich alles!«
»Aber er ist ein Anhänger Savonarolas!«, rief Eleonore.
»Nicht alles, was Savonarola gepredigt hat, ist falsch«, gab Francesco zu bedenken und zuckte die Achseln. »Er hat die Simonie angeprangert, die Käuflichkeit von Ämtern, die Verderbtheit der Sitten, die Scheinheiligkeit des Papstes. Das war und ist gut. Hast du dich nicht ebenfalls bereit erklärt, den Armen zu geben, Eleonore? Du bist doch die Großzügigkeit selbst, ohne dich hätten wir diesen Sommer nicht überlebt. Und du bist ein Vorbild an Eleganz und Lebensfreude. Diese Dinge schließen sich nicht aus, für mich nicht. Ich muss zurückkehren und versuchen, Botticelli davon zu überzeugen, dass die Kunst nicht nur düstere, religiöse Themen zum Inhalt haben muss. Wenn einer das schaffen kann, dann ich.«
|175| 2. TEIL
September 1497 – Februar 1498
|177| 23.
Der Herbst kam mit glutvollen Farben und würzigen Düften. In den Wäldern wuchsen Steinpilze und Trüffeln, die Tante Bergitta zusammen mit Angelina sammelte. Als Anfang Oktober die Weinlesehelfer kamen, machte Angelina sich bereit zur Rückreise. Ihre Tante schenkte ihr zum Abschied eine kleine Reliquie, einen Benediktuspfennig, der sie vor Üblem bewahren sollte. Ein Pilger hätte ihn aus seiner nördlichen Heimat mitgebracht. Angelina küsste Bergitta auf beide Wangen und
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