Die Hure Und Der Moench
Meinung.
»Vielleicht wird das eines Tages gar nicht mehr nötig sein«, antwortete Rinaldo und schickte einen schnellen Blick in Angelinas |200| Richtung. Angelina bezog es auf sein Vertrauen in ihre Kochkünste und fühlte sich warm und wohl bei diesen Leuten.
»Gleich morgen werde ich zu meinem Bruder hinausreiten und Waren herbeischaffen«, sagte er eifrig.
»Ich habe noch ein wenig Geld, das ich dazugeben kann«, erklärte Angelina. Rinaldo winkte ab. Später leuchtete er ihnen mit einer Fackel zu dem Turm hinüber, in dem sich die Schlafkammern der Mädchen befanden. Angelina teilte sich einen Raum mit Pallina. Nachdem das Licht gelöscht war, stieg der feuchte Geruch der Wände Angelina in die Nase. Er löste ein banges Gefühl in ihr aus. Woran erinnerte sie dieser Geruch? Über dem Nachdenken darüber schlief sie ein. Ihr träumte, sie befände sich in einem Weinberg. Eine Winzerhütte tauchte vor ihr auf. Das, was darin war, machte Angelina Angst. Gleich darauf war sie in einer Höhle. Die Wände waren feucht, das Wasser lief an dem Felsgestein herab. Sie wollte fort aus dieser Höhle, doch deren Öffnung war verschlossen. Ihre Finger gruben sich in den Stein, bis es schmerzte. Sie wusste, dass sie ersticken würde, wenn sie nicht bald aus diesem Gefängnis herauskäme. Angelina wollte schreien, brachte jedoch keinen Ton aus ihrer vertrockneten Kehle. Darüber wachte sie schweißgebadet auf. Sie hörte die ruhigen Atemzüge Pallinas, drehte sich auf die Seite und schlief traumlos bis zum Morgen.
Als sie aufwachte, wusste sie im ersten Moment nicht, wo sie war. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, doch die ersten Geräusche der Gasse drangen schon in das Gemach hinein, das nur mit einer Tür und einigen Schießscharten nach draußen versehen war. Im ersten fahlen Zwielicht betrachtete Angelina die Einrichtung des Turmzimmers, die sie gestern nur flüchtig im Schein der Fackel gesehen hatte. An den zwei Seiten standen die beiden Betten, am Kopfende ihres Bettes eine Truhe. Der Boden war mit Binsen bestreut, die schon lange nicht mehr gewechselt zu sein schienen. Angelina erhob sich leise, um Pallina nicht zu stören, zog sich an und ging die Treppe hinunter in den Hof, um sich am Brunnen zu waschen. |201| Dann begab sie sich zu der Wirtschaft. Rinaldo blinzelte ihr verschlafen entgegen. Er war gerade dabei, den Schankraum auszufegen.
»Guten Morgen«, sagte er. »Habt Ihr gut geschlafen, Signorina?«
»Ja, sehr gut«, beeilte sie sich zu sagen. Dass sie schlecht geträumt hatte, brauchte er ja nicht zu wissen. »Kann ich Euch helfen, Signore?«
»Ja, Ihr könnt das Frühstück zubereiten«, meinte er. »Bald müssen auch meine Töchter hier auftauchen. Habt Ihr schon einmal
Cornetti
gebacken?«
»Ich weiß, wie es geht, meine Mutter hat die oft zum Frühstück gemacht. Zusammen mit der Magd.«
Rinaldo führte sie in die Küche und zeigte ihr die Behälter mit den Zutaten. Im Ofen brannte schon ein Feuer. Angelina nahm sich ein Brett, mischte Mehl, Zucker und Eier und verknetete die Zutaten. Auf eine Backschaufel setzte sie kleine Haufen, formte sie zu Hörnchen und schob sie in den Backofen. Irgendwann merkte sie, dass sie eine Melodie vor sich hin summte. Von nebenan hörte sie die Mädchen mit ihrem Vater scherzen.
»Macht Angelina unser Frühstück? Das ist aber schön, da müssen wir es nicht selber machen«, sagte Pallina munter. Angelina füllte eine Kanne mit Würzwein und stellte sie auf den Herd.
»Hol Butter aus dem Keller«, wies Rinaldo Pallina an, »und bring gleich den Schinken mit.«
Die ersten Gäste trafen ein, Handwerker auf dem Weg zur Arbeit. Pallina brachte die Butter und den Schinken und bediente die Männer, während Angelina weitere
Cornetti
buk und Rinaldo Wein und Bier ausschenkte. Zwischendurch steckte Rinaldo seinen Kopf herein.
»Ich reite jetzt zu meinem Bruder aufs Land«, sagte er. »Seid freundlich zu den Gästen und macht mir keine Schande!« Er zwinkerte Angelina zu.
Nachdem er gegangen war, wandte sich Angelina an Pallina.
»Was soll es denn heute Mittag zu essen geben?«, fragte sie.
|202| »Rindfleisch ist noch da«, überlegte Pallina. »Für die anderen Gerichte bringt unser Vater die Zutaten mit.«
»Also kochen wir erst einmal
Stracotto
«, entschied Angelina. »Gratiosa und Verena können mir dabei helfen.«
»Und ich bediene die Gäste, wie immer«, meinte Pallina und wackelte mit den Hüften. Ob das eine Anspielung war? Angelina schaute sich
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