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Die Hure Und Der Moench

Die Hure Und Der Moench

Titel: Die Hure Und Der Moench Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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der Maler verfolgt. Draußen empfing sie die schon schwächere Herbstsonne. Angelina kehrte nicht in den Laden zurück, sondern wandte sich zum Dom. Die Tränen liefen ihr übers Gesicht. Wie sehr sie Francesco hasste! Er hatte nicht nur Savonarola, Botticelli und sie, Angelina, verraten, sondern auch sich selbst. Dieses Bild durfte niemals unter die Leute kommen! Angelina sann verzweifelt nach, während sie durch die Gassen zum Dom lief. Es war ihr, als folgten ihr Schritte, die auf dem Pflaster klangen. Sie trat durch das Portal. Im Inneren des Doms verschluckte sie dämmerige Helle. Hier war die Allmacht Gottes spürbar. Angelina sank vor einem der Altäre nieder und versuchte zu beten.
    »Warum seid Ihr so traurig, liebes Kind?«, fragte eine leise Stimme. Vor ihr stand ein Mann in der Kleidung der Messdiener. Angelina antwortete nicht.
    »Ich werde Euch einen Priester schicken. Geht nur schon in den Beichtstuhl da drüben, es wird Euer Gewissen erleichtern.«
    Langsam erhob sich Angelina. Sie war ja sowieso von aller Welt verlassen. Außer Sonia und Lucas blieb ihr kein einziger Freund. Sie ging mit schleppenden Schritten zu dem Beichtstuhl. Auf der anderen Seite der Abtrennung hörte sie jemanden atmen. Angelina sammelte sich.
    »Ich nehme deine Beichte entgegen«, sagte eine Stimme hinter der Absperrung.
    »Vater, ich habe gesündigt«, sagte Angelina, ohne lange zu überlegen. »Ich bin von zu Hause fortgelaufen und habe mich einem Maler an den Hals geworfen. Meine Eltern haben mich verstoßen. Heute habe ich gesehen, dass der Maler mich in einem sündigen Gewand gemalt hat. Ich wollte es nicht, Vater, aber ich habe es zugelassen.«
    »Liebst du diesen Maler?«, wollte der Priester wissen.
    »Ich …«, sie seufzte. »Nein, nicht mehr«, schloss sie.
    |193| »Hat er dich jemals unsittlich berührt? Hat er sich an dir versündigt?«
    Etwas warnte Angelina, dem Priester zu viel zu verraten.
    »Nein, er hat sich mir immer in untadeliger Form genähert. Die Sünde habe allein ich auf mich geladen.«
    Der Priester räusperte sich.
    »Hast du als Kind einmal gesündigt? Versuche nicht, mich zu belügen.«
    »Nein, Vater, ich bin mir keiner Sünde bewusst.«
    »Gottes Gnade walte über dir, und dir sei verziehen. Bete jeden Morgen und jeden Abend zehn Mal das Vaterunser, und sündige nicht mehr. Das Bild sollst du an die
Fanciulli
ausliefern. Handle nach den Geboten Savonarolas, und nun gehe hin in Frieden.«
    Erleichtert erhob sich Angelina aus ihrer knienden Stellung. Sie schaute sich nach dem Messdiener um, doch die Kirche war inzwischen leer.
    Angelina strebte, ein wenig ermutigt, dem Ausgang zu. Ihre Schritte hallten in dem riesigen Schiff von den Wänden wider.
     
    Sonia war mit dem Einsortieren von Trauben und Äpfeln in Körbe beschäftigt.
    »Wie war dein Stelldichein drüben in der Werkstatt?«, fragte sie und zwinkerte Angelina zu.
    »Was für ein Stelldichein?«, gab Angelina zurück.
    »Na, du bist doch zu Francesco rüber, ich hab dich gesehen. Ist etwas schiefgegangen? Du siehst so traurig aus.«
    »Es gab einen Streit«, sagte Angelina kurz angebunden.
    »Ach, bevor ich es vergesse …«, Sonia richtete sich auf. »Ich habe eine Adresse für dich, von einer alten Freundin, die wird dich unterbringen. Sie wohnt in der Via Guelfa.«
    Angelina nahm Sonia in den Arm. »Ich weiß deine, eure Freundschaft sehr zu schätzen, Sonia«, meinte sie.
    »Wo ist eigentlich Lucas?«
    »Auf dem Markt, Gemüse und Getreide einkaufen.«
    |194| »Dann grüße ihn recht herzlich von mir. Ich gebe euch dann Bescheid, wenn ich gut untergekommen bin. Wie heißt denn deine Freundin?«
    »Pallina Boni. Sie hat mir sehr geholfen, als ich … du weißt schon!«
    »Ja, ich weiß«, entgegnete Angelina.
    »Und schau mal hier«, sagte Sonia. »Ich habe Lucas ein Empfehlungsschreiben für dich aufsetzen lassen, bevor er zum Markt ging.«
    »Ich werde mich gleich auf den Weg machen.« Angelina steckte den Brief in ihren Lederbeutel. »Danke Lucas von mir!«
    »Ich würde dich gern begleiten«, meinte Sonia, »aber ich kann gerade nicht weg.« Sie umarmten sich.
    »Viel Glück, Angelina!«
    »Auf Wiedersehen, Sonia«, antwortete Angelina und trat in die Gasse hinaus, in der die Oktobersonne schon längere Schatten warf.

|195| 25.
    Vorbei an der Kirche Santa Maria Novella und über die Piazza Mercato gelangte Angelina in die Via Guelfa. Mit einem etwas bangen Gefühl suchte sie nach dem von Sonia angegebenen Haus. Schließlich

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