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Die Hure Und Der Moench

Die Hure Und Der Moench

Titel: Die Hure Und Der Moench Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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fragte sie eine Frau, die mit einem Korb unter dem Arm an ihr vorbeihasten wollte.
    »Wohnt hier eine Signorina Pallina Boni?«, fragte Angelina. Die Frau blickte sie sprachlos an und bekreuzigte sich.
    »Kennt Ihr eine Signorina Boni?«, wiederholte Angelina.
    Die Frau wies auf den Palazzo Acciaiuoli, der mit seinen grauen Mauern und dem Turm vor ihnen aufragte.
    »Hütet Euch vor diesen Weibsleuten, gute Frau«, sagte die Fremde und eilte weiter. Was hatte das denn zu bedeuten? Pallina war doch eine Freundin von Sonia. Ging sie vielleicht einem unehrenhaften Gewerbe nach? Aber das war doch nicht möglich, Savonarola hatte das unter Androhnung schwerer Strafen untersagt. Allerdings sahen das nicht mehr alle so streng, die Medicitreuen waren wieder mehr an die Macht gelangt. Vielleicht waren in aller Stille wieder solche Horte der Lustbarkeit entstanden? Angelina gab sich einen Ruck und klopfte an die Tür des Palastes. Ein Diener mit Fledermausohren öffnete ihr. Bei ihrem Anblick entblößte er seine Zähne.
    »Womit kann ich dienen, Signorina? Ihr wollt gewiss ein Zimmer zur Miete haben.« Bei diesen Worten stieß er ein meckerndes Lachen aus.
    »Richtig«, stellte Angelina fest, »vielmehr, ich möchte zu Signorina Boni. Eine Freundin hat mich ihr empfohlen.«
    »Die wohnt zusammen mit ihrem Vater und ihren Schwestern in dem alten Turm dort. Aber im Augenblick sind sie nicht zu Hause.«
    |196| »Wo kann ich sie finden?«
    »In der Trattoria
Al Carpa
, nicht weit von hier. Seht, dort drüben.« Er zeigte mit seinem Finger in die Richtung. Angelina bedankte sich, drückte ihr Bündel an sich und überquerte die Straße zu dem Gasthaus. Die Dämmerung war schon hereingebrochen. Es war empfindlich kühl geworden, und Angelina schlang ihren Wollmantel enger um sich. Nur noch wenige Bürger huschten vorüber, wahrscheinlich froh, wenn sie am heimischen Feuer sitzen würden.
    Die Wirtschaft war ein dreigeschossiges Haus, aus den graubraunen Steinen der Umgebung erbaut. Ein dicklicher Eisenfisch, von eisernen Ranken umkränzt, baumelte über der Tür. Auf einer Tafel waren die Speisen mit Kreide aufgezeichnet. Angelina lief das Wasser im Mund zusammen. Aus dem Inneren klangen gedämpfte Stimmen, jedoch war die Tür verschlossen. Angelina pochte dagegen. Im gleichen Augenblick wurde es drinnen still. Schlurfende Schritte kamen näher. Die Tür öffnete sich einen Spalt, und ein gedrungener Mann mit Schnauzbart spähte heraus. Sein braunes, an den Schläfen ergrautes Haar fiel offen auf seine Schultern, und sein Gesicht glänzte vor Schweiß.
    »Was wünscht Ihr zu dieser späten Stunde, Signorina?«, fragte er.
    »Ich suche Pallina Boni.«
    »Was wollt Ihr von ihr?«
    »Ich komme von Sonia und Lucas Bandocci, dem Gemüsehändler und seiner Frau. Sonia ist meine Freundin und hat mir die Adresse von Pallina gegeben.«
    Die Spur eines Lächelns huschte über sein Gesicht, doch er blieb weiterhin wachsam. Der Wirt öffnete die Tür ganz und hieß sie eintreten. Gerüche nach Fisch und Rindssuppe kamen Angelina entgegen. Der dunkel getäfelte Raum mit bunten Glasfenstern war angefüllt mit Männern, die Wein- und Bierkrüge vor sich stehen hatten und eifrig miteinander redeten. Auch einige geschminkte Frauen befanden sich darunter.
    »Pallina!«, rief der Wirt dem Schankmädchen zu, das eben mit |197| einer Platte voller Fische aus der Küche kam. Woher die wohl die Fische und das Fleisch für die Suppe hatten? Seit der Pest litt Florenz doch mehr als früher unter einer Hungersnot. Die Angesprochene setzte die Platte auf einem der Gästetische ab und kam zu ihnen herüber.
    »Pallina, kennst du diese Signorina? Sie behauptet, sie komme von deiner Freundin Sonia.«
    Pallina betrachtete Angelina ungeniert.
    »Nein, ich kenne sie nicht«, meinte sie, »aber wenn Sonia sie schickt, wird es schon seine Richtigkeit haben.« Der misstrauische Ausdruck war nicht aus ihrem Gesicht gewichen. Angelina konnte es ihr nicht verdenken. Die Menschen dieser Stadt waren voller Intrigen und Verrat. Warum sollte dieser Wirt, warum sollte dieses Schankmädchen ihr vertrauen? Sie konnte genauso gut ein Spitzel Savonarolas sein, um die Sündenpfuhle der Stadt aufzuspüren.
    »Ich habe ein Empfehlungsschreiben von Sonia und Lucas«, erklärte Angelina und reichte Pallina den Brief. Sie schämte sich vor diesen Menschen, die mit ihrem Leben offenbar so gut zurechtkamen. Oder auch nicht? Die beiden geschminkten Mädchen machten den Männern

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