Die Hure Und Der Moench
gemütlich in der niedrigen Gaststube. Die Wirtin trug ein
Stracotto
herein, das nach Wein und Gewürzen duftete. Francesco hätte Angelina gern an seiner Seite gehabt. Hatte sie nicht erzählt, dass sie dieses Gericht oft mit ihrer Mutter zubereitet hatte? Es war, als säße sie neben ihm. Die Männer ließen es sich schmecken, ein Junge mit glattem Haar spielte auf einer Laute. Francesco dachte an die Tage am Lago Trasimeno. So bedrängt ihre Lage auch gewesen war, er würde diese Zeit, in der Angelina und er sich so nahegekommen waren, niemals vergessen. Und auch die in Florenz nicht. Was war nur geschehen, das diese Liebe immer wieder gestört, was war es, das Angelina so sehr verstört hatte? Sebastiano erhob seinen Becher mit Wein und prostete den anderen zu.
»Es lebe die Kunst!«, rief er. »Es lebe Siena, es leben Rom, Ferrarra, Padua, Venezia und alle freien Städte! Wir müssen uns zurückbesinnen |210| auf die alten Werte. Und wir können stolz auf das sein, was wir geschaffen haben. Mein ehemaliger Meister Botticelli ist unter die Heulsusen gegangen, ich wiederhole es gern, sooft es jemand hören mag. Er verleugnet sein Talent und beugt seinen Rücken, der vom Beugen schon ganz krumm ist, vor diesem geifernden Mönch, der alles, was im Leben schön und den Sinnen zugewandt ist, aus der Welt schaffen möchte.«
Francesco schaute sich vorsichtig um, doch bemerkte er schnell seinen Fehler. Sie waren hier ja nicht in Florenz.
»Warum hast du es denn so lange bei Botticelli ausgehalten?«, fragte ein untersetzter, lustiger Mann mit Knollennase.
»Solange ich bei ihm war, habe ich Streit mit ihm gehabt«, gab Sebastiano zurück. »Alles hat er mir angekreidet, jedes Frauenbein, das unter einem Kleid hervorblitzte, jeden Ansatz eines Busens! Dabei hat er doch selber eine Muse gehabt.«
»Die aber gestorben ist«, gab der andere zu bedenken.
»Ach, du meinst, er habe deswegen … das glaube ich nicht«, meinte Sebastiano.
»Botticelli ist zutiefst von Savonarolas Lehre überzeugt«, schaltete sich Francesco ein. »Es gibt ein Bild, auf dem ein Maler in einer verzweifelten und demütigen Pose dargestellt ist. Ich vermute, dass das der Wendepunkt war. Als Savonarola kam und die Herrschaft an sich riss, war das sein neuer Tempel, sozusagen.«
Ein kleiner Mann begann sich zu ereifern:
»Aus Rom hörte ich, dass Savonarola es zu weit getrieben habe. Einen Papst reizt man nicht bis zum Äußersten! Würde mich nicht wundern, wenn es bald aus mit ihm wäre.«
»Mich auch nicht«, stimmte ein anderer zu.
»Es ist auch ein Nachteil, dass ich Botticelli verlassen habe«, ließ sich Sebastiano ungewohnt selbstkritisch vernehmen. »Florenz war bisher immer die Hauptstadt der Künste. Wie sollen wir in Siena oder in den anderen Städten überleben?«
»Ich bin auf dem Weg nach Rom«, sagte Francesco. »Dort hoffe ich ein paar Bilder verkaufen zu können.«
|211| »Ja, Rom ist etwas anderes«, sagte der Kleine. »Wo ein Papst herrscht, da geht es lustig zu, sollte man meinen …«
Die Unterhaltung wandte sich jetzt dem städtischen Klatsch zu. Je mehr die Maler dem Wein zusprachen, desto großartiger wurden ihre Erzählungen über ihre künstlerischen Erfolge und denen bei Frauen. Francescos Augen brannten, er gähnte.
»Ich ziehe mich jetzt zurück, denn ich habe einen langen Tag gehabt. Danke für diesen Abend«, sagte er und stand auf. Die Gesellschaft verabschiedete ihn herzlich. Langsam ging er durch die dunklen Gassen zur Herberge der Maler. Nur wenige Kohlepfannen erhellten das Pflaster. Francesco sah Kirchen und kleine Brunnen, schwach erleuchtet. Er dachte an Florenz. Wo sich Angelina jetzt wohl aufhielt? Ob sie ebenso an ihn dachte wie er an sie? Einer Frau, die in Begleitung zweier Männer vorüberging, starrte er ins Gesicht. Es war ihm, als hätte er Angelina gesehen. In seinem Bett lag er noch lange wach.
Er dachte an die Geschichten, die sie sich gegenseitig am Lago Trasimeno erzählt hatten. Warum musste Matteo sterben? Hatte er Schuld auf sich geladen? Außer, dass er gegen Savonarola kämpfte? Siedendheiß fielen ihm Angelinas Andeutungen wieder ein, dass sie den Männern Unglück bringe. An dem Abend, als Matteo starb, war er mit Angelina von draußen hereingekommen. Was, wenn der Mörder ein Glaubenseiferer war, der alle geschlechtlichen Sünden bestrafen wollte? Aber warum sollte ein solcher Eiferer sie bis zum Lago Trasimeno verfolgen? Die Bekenntnisse von Eleonore und von ihm selbst
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