Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hure Und Der Moench

Die Hure Und Der Moench

Titel: Die Hure Und Der Moench Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
Vom Netzwerk:
ihn hineinsehen könnte?
    »Du selbst hast mir aufgetragen, Herr«, antwortete er schnell, »die Beweise für das sündhafte Treiben der Menschen aufzuspüren und zu vernichten! Ich gehe alle Tage hinaus und überwache die Arbeit der
Fanciulli
. Wir haben schon eine stattliche Ausbeute an Luxusgütern für das neue Fegefeuer beisammen. Überdies verbringe ich viel Zeit damit, als Priester die Beichte abzunehmen. Manche Leute finden gar kein Ende im Beichtstuhl …«
    »Es tut mir leid, dass ich dich das fragen musste, Domenian«, |217| sagte Savonarola und legte ihm die Hand auf den Arm. »Es schien mir, als dauerten deine Ausflüge manchmal unverhältnismäßig lang. Aber wenn es sich so verhält, wie du sagst, dann hast du meinen Segen! Geh und stärke dich, dann walte deines Amtes. Und noch etwas«, meinte er, als Domenian sich anschickte, den Raum zu verlassen. »Achte besonders auf die Bilder und Bücher – nicht nur Schminktöpfe, Kleider und Schmuck zeugen von der Sünde!«
    Domenian war durch den Kreuzgang zum Refektorium gegangen und hatte schweigend zusammen mit den anderen Mönchen sein Essen eingenommen. Was fiel seinen Brüdern eigentlich ein, so über ihn zu richten? Jetzt in seiner Zelle fühlte er sich sehr allein. Sein Leben zog an seinem inneren Auge vorüber. Was hatte er eigentlich erreicht, was war sein Antrieb gewesen?
    Er war vom Land in die Stadt Florenz gezogen. Domenian erinnerte sich, damals eine Predigt von Savonarola gehört zu haben. Die Worte des Mönchs hatten ihn vollkommen in ihren Bann gezogen. Von dem Leben in den Städten hatte Savonarola gesprochen, von den Sünden der Menschen, die sie von Gott entfernten. Kaum einer gebe noch von seiner Habe den Armen, es sei keine Gemeinschaft mehr vorhanden. Es habe einmal eine Urgemeinschaft der Christen gegeben, in der niemand etwas für sich besaß und doch jeder das bekam, was er brauchte. So einen ›Gottesstaat‹ gelte es in Florenz zu errichten.
    Von diesem Moment an war Domenian wie verwandelt gewesen. Er verließ sein Elternhaus, auch wenn Mutter und Vater versuchten, ihn daran zu hindern. Er hätte etwas Besseres werden sollen als sie, die einfache Bauern waren, und nun wollte er in ein Kloster gehen! Auch die Versuchungen des Fleisches hatten Domenian immer wieder angesprungen, aber er widerstand ihnen erfolgreich. Der Schweiß brach ihm aus allen Poren. Er warf die Decke von sich, spürte den kalten Luftzug auf seiner Haut. Maria Magdalena schaute ihn von der Seite her an, als wolle sie ihn verhöhnen. Domenian lag zwischen Wachen und Traum. Er befand sich in seinem Elternhaus, der Vater war in den Weinbergen beschäftigt. Die |218| Mutter besorgte den Garten. Er wollte weg von hier, weg von ihr, die sich in seine Träume drängte und ihn beschmutzte! Aber unsichtbare Fesseln hielten ihn zurück. Domenian saß in der Küche und entkernte Zwetschgen, wie es ihm seine Mutter aufgetragen hatte. Sie wollte die Früchte zu Mus verkochen. Ein unbändiger Hass stieg in ihm auf. Er schaute auf das Messer, mit dem er die Zwetschgen aufschnitt. Der Saft der Früchte klebte an seinen Händen, er roch süßlich. Domenian kam ein Gedanke.
    Er wischte das Messer an einem Tuch trocken, steckte es in seinen Gürtel. Die Fesseln waren abgefallen. Er ging leichten Schrittes durch die Diele hinaus in den Garten. Seine Mutter wandte ihm den Rücken zu. Leise kam er näher. Sie kniete im Gras, er konnte ihre kräftigen Waden sehen. Ihre Füße steckten in Holzschuhen. Der Geruch nach Erde und Gras stieg ihm in die Nase. Sie war es, die ihn verdorben, ihn sündig gemacht hatte! Mit ihren braunen Händen, an denen die Adern hervortraten, sammelte sie weitere Zwetschgen auf. Manche der Früchte schienen sich zu bewegen, doch als Domenian genauer hinschaute, waren sie mit Wespen gefüllt. Er hob das Messer. In diesem Augenblick wandte sie sich um. Domenian blickte in ihr Gesicht, aber es war nicht das seiner Mutter.

|219| 28.
    Der Palazzo der Familie Scroffa war aus mächtigen Steinquadern erbaut. Schmale Fensteröffnungen gaben ihm ein abweisendes Aussehen. Angelina zögerte, bevor sie den Türklopfer in Form eines Löwenkopfes bediente. Wie würde Eleonore ihr entgegentreten?
    Lucas und Sonia waren ebenfalls zu diesem Essen eingeladen, das machte Angelina Mut. Sie war noch nie im Stadthaus der Scroffas gewesen, und unwillkürlich verglich sie es mit dem ihrer Eltern. Es war entschieden prächtiger! Die Eingangshalle war mit Fresken geschmückt; in

Weitere Kostenlose Bücher