Die Hure Und Der Moench
leiser, »dass diese Herrschaft bald ein Ende hat.«
»Wir können arbeiten«, sagte Pallina. »Jeder Dritte in Florenz ist mit der Tuchherstellung beschäftigt. Da müssten wir doch etwas finden.«
»Da bin ich mir nicht so sicher«, antwortete Rinaldo. »Eine Familie, die von der Signoria verhört und deren Wirtschaft geschlossen worden ist …«
»Habt ihr denn wenigstens noch die Zimmer in dem Turm?«, fragte Angelina.
»Ja, die Miete ist im Voraus bezahlt bis zum Ende des Jahres«, gab Rinaldo zur Antwort. »Wollt Ihr bei uns wohnen bleiben, Angelina?«
Angelina schluckte. Die drei Mädchen schauten sie erwartungsvoll an.
»Ich danke Euch für diese Einladung«, sagte Angelina. »Aber ich habe einen Entschluss gefasst. Das hängt mit dem zusammen, was gestern geschehen ist.« Sie räusperte sich und fuhr fort:
»Zum dritten Mal ist gestern in meiner Anwesenheit ein Mord geschehen. Und ich bin der festen Überzeugung, dass es etwas mit mir zu tun hat, dass jeder, der mit mir in Berührung kommt, gefährdet ist, sein Leben zu verlieren. Deshalb will ich in ein Kloster gehen.«
Die Münder der Mädchen standen halb offen. Rinaldo blickte Angelina entgeistert an.
»Das glaube ich nicht«, sagte Rinaldo. »Das bildet Ihr Euch gewiss nur ein. Warum sollten wir denn gefährdet sein?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Angelina. »Es tut mir selber weh, zu gehen. Aber ich muss es tun.«
|232| »Ich verstehe das nicht«, meinte Pallina. »Im Kloster wären die Nonnen dann ja auch gefährdet, oder nicht?«
»Ich glaube, dass es eher Männer sind und bestimmte Personen, mit denen ich während der Pestzeit zusammen war.«
»Wollt Ihr Euch nicht lieber mit uns eine Arbeit bei den Tuchhändlern suchen?«, fragte Rinaldo.
Angelina überlegte.
»Mein Vater ist in der Zunft der Tuchmacher. Er würde niemals zustimmen, dass seine Tochter sich zu so einer Arbeit verdingt.«
»Und wenn du zu deinen Eltern zurückkehrst?«, fragte Verena.
»Sie haben mich verstoßen.«
»Ach, das wusste ich nicht«, meinte Verena. »Aber dürfen wir dich wenigstens in dem Kloster besuchen?«
Angelina lächelte. »Selbstverständlich dürft ihr das! Ich muss allerdings erst mal eines finden, das mich aufnimmt.«
»Bei Fiesole gibt es ein Nonnenkloster, Corona della Santa Maria heißt es, glaube ich«, sagte Rinaldo. »Ich kenne es durch meinen Bruder, der das Kloster auch beliefert.«
»Davon habe ich schon gehört … Ich werde mich auf ihn berufen«, entgegnete Angelina. »Und jetzt werde ich meine Sachen holen und aufbrechen.«
»Hier ist der Schlüssel für den Turm«, sagte Rinaldo mit belegter Stimme. »Legt ihn auf Euer Bett, wir kommen bald nach.«
Angelina verabschiedete sich herzlich von Rinaldo und seinen Töchtern, die sie in der kurzen Zeit so liebgewonnen hatte.
Mit ihrem Reisebündel wanderte Angelina durch die Gassen nach Nordosten. Bevor sie die Stadt verließ, wollte sie noch einmal zur Beichte gehen. Bald hatte sie den Dom erreicht. Dort traf sie einen Messdiener an, dem sie ihr Anliegen vortrug. Er bat sie, etwas zu warten, und verließ die Kirche. Nach einiger Zeit kehrte er zurück.
»Der Priester wartet jetzt auf Euch«, sagte er, deutete auf einen Beichtstuhl und ging davon. Angelina hatte den Priester nicht kommen sehen. Sie kniete sich wieder vor den kunstvoll geschnitzten |233| Beichtstuhl, dessen Öffnung mit einem schwarzen Tuch verdeckt war. Die Rosen waren ein Hinweis auf die Verschwiegenheit des Priesters. In dem Tuch waren zwei Schlitze angebracht, in denen Angelina Augen glitzern sah. Sie hatte das Gefühl, dass sich gleich etwas Ungeheuerliches ereignen würde. Ihre Hände waren feucht.
»Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen«, sagte der Priester. »Gott, der unser Herz erleuchtet, schenke dir wahre Erkenntnis deiner Sünden und Seiner Barmherzigkeit.« Angelina glaubte, dass es derselbe sei, bei dem sie schon gebeichtet hatte.
»Ich habe gesündigt, hochwürdiger Herr Pater«, fuhr Angelina fort. Was wohl geschehen würde, wenn er ihre Beichte hörte?
»Beichte, und du wirst die Absolution erhalten«, gab der Priester zur Antwort. Seine Stimme klang drohend.
»Hochwürdiger Herr Pater, ich habe in meiner Kindheit eine Sünde begangen«, begann sie stockend, »die jetzt über alle kommt, die mir nahestehen. Ich weiß nicht, was ich getan habe, aber es hat dazu geführt, dass ich alle, die mir lieb und wert waren, verlassen muss und in ein Kloster
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