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Die Hure Und Der Moench

Die Hure Und Der Moench

Titel: Die Hure Und Der Moench Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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Angelina stellte sich in den Eingang eines Geschäftes. Ihr Herz klopfte überlaut, so dass sie fürchtete, der Unbekannte könnte es hören. Die Schritte kamen immer näher. Angelina wagte sich nicht zu rühren. Ihre Knie drohten nachzugeben. Eine Gestalt mit wehendem Mantel huschte vorbei. Gott sei Dank, der Unbekannte hatte sie nicht bemerkt!
    Angelina wartete eine Zeitlang, bis ihr Herzschlag sich wieder beruhigt hatte. Sie setzte ihren Weg fort. In ihr war es so düster wie die Welt um sie herum. Sie würde sich von allen Menschen trennen müssen, die ihr in irgendeiner Weise nahestanden. Doch halt! Angelina verlangsamte ihren Schritt. Matteo und Eleonore hatten zu der Gruppe gehört, mit der sie am Lago Trasimeno gewesen war. Ebenso Lucas und Sonia. Aber Rinaldo und seine Töchter hatten damit nichts zu tun. Zu ihnen würde sie gehen können. Müde schleppte sie sich die letzten Schritte zu der Wirtschaft
Al Carpa
. Aus den Fenstern drang kein Licht. Wahrscheinlich hatte Rinaldo heute früher zugemacht. Aber warum? Waren die Gäste ausgeblieben? Angelina überquerte die Straße, an welcher der Turm des Palazzo Acciaiuoli lag. Auch hier drang kein Licht aus dem Inneren. Waren sie schon schlafen gegangen? Das sah ihnen gar nicht ähnlich. Sie rüttelte an der Tür. Nichts, kein Laut, keine Spur eines Menschen.
    Angelina begann zu frieren. Jetzt hatte sie es erreicht, sie war für |227| ihren Hochmut und ihren Eigensinn endgültig bestraft worden. Sie war ganz allein auf der Welt, in einer kalten Nacht Ende Oktober. Das Geld, das sie von ihrer Tante erhalten hatte, würde gerade für ein, zwei Wochen in einem Zimmer reichen, das sie mieten könnte. Doch dazu war es heute Nacht zu spät. Sie würde auf der Gasse übernachten müssen. Zu Sonia und Lucas wagte sie nicht zu gehen. Angelina kauerte sich in den Eingang zu dem Turm, zog ihren Mantel über sich und starrte vor sich hin. Eine Glocke schlug zwölf, dann eins. Angelina fror erbärmlich. Die Bilder von Eleonores Tod standen ihr vor Augen. Alle Ereignisse der vergangenen Monate zogen an ihr vorüber. Sie allein war schuld an all dem Elend, war schon immer schuldig gewesen! Ihr würde nichts anderes übrigbleiben, als in ein Kloster zu gehen. Vielleicht konnte sie dort ihre Sünden büßen, bis Gott sie von ihrem traurigen Leben erlöste? Doch wenn sie den Schleier nahm, würde sie Francesco nie wiedersehen. Angelina sah ihn auf dem Weg nach Rom, mit seinem feinen Haar und dem entschlossenen Zug in den Mundwinkeln. Ach, wäre doch alles anders gekommen!
    In welches Kloster sollte sie gehen? Hier in Florenz gab es nur Klöster, die unter Savonarolas Herrschaft standen. Und hier würde sie der Unbekannte finden und töten, dessen war sie gewiss. Aber durfte sie sich einfach so fortschleichen, musste sie die anderen nicht beschützen? Wie sollte sie jemanden beschützen, wenn sie nicht einmal wusste, vor wem? Das Gift konnte jederzeit von außen in das Haus von Eleonore gebracht worden sein. Alles war genauso rätselhaft wie die anderen Morde. Sollte Tomasio etwas damit zu tun haben? Aber aus welchem Grund sollte er andere umbringen? Als sie am Lago Trasimeno waren, hatte er sich weit entfernt in Ravenna befunden. Angelinas Gedanken drehten sich im Kreis, bis ihr schwindelig wurde. Ihre Arme und Beine waren eiskalt, die Kälte kroch in ihren Mantel. Irgendwann dämmerte sie hinüber.

|228| 29.
    Angelina blinzelte ins Licht. Wer war das? Ein Mann mit Fledermausohren leuchtete ihr mit einer Fackel ins Gesicht. Angelina richtete sich mühsam auf. Sie war steifgefroren.
    »Was macht Ihr denn da?«, fragte der Mann mit einer näselnden Stimme.
    Jetzt fiel es ihr wieder ein. Es war der Diener dieses Palastes, dessen Besitzer die Turmzimmer an Rinaldo und seine Töchter vermietet hatte.
    »Signor Boni und die Mädchen waren nicht zu Hause«, entgegnete sie. »So musste ich hier übernachten.«
    »Ja, habt Ihr es denn noch nicht gehört?«, fragte er und starrte sie bedauernd an.
    »Was gehört?«, fragte sie zurück. Ihr wurde noch kälter. Hörte der Schrecken denn niemals auf?
    »Gestern Abend kamen die
Fanciulli
und haben die Wirtschaft geschlossen«, sagte er. »Wegen des Glücksspiels. Die Karten und die Lebensmittel haben sie gleich beschlagnahmt. Es sei Völlerei, was hier betrieben würde, sagten sie.«
    »Und wo sind Rinaldo und seine Töchter?«, wollte Angelina wissen. Ihre Zähne schlugen aufeinander.
    »Die haben sie zur Signoria gebracht. Vielleicht sollen

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