Die Hure Und Der Moench
verspreche, was immer du willst, wenn du nur wieder gesund wirst!«
»Versprich mir: Du wirst denjenigen finden, der all dies zu verantworten hat. Dann kann ich in Ruhe sterben.«
»Du darfst nicht sterben!«, flüsterte Angelina. »Der Arzt wird dir Senfpflaster machen, dich schröpfen, er wird dir schon helfen!«
Der Arzt schüttelte den Kopf.
»Versprich es mir!«
Angelina nickte unter Tränen.
»Mein liebes Mädchen«, sagte Eleonore erschöpft. »Grüße mir alle, die mir liebgeworden sind in meinem Leben. Und ganz besonders Francesco, den Gefährten meiner Kindheit.«
Ihre Augen blickten starr geradeaus, auf einen Punkt, den niemand außer ihr sehen konnte. Das Weiße des Augapfels war rot verfärbt. Eleonore schrie auf, hielt sich den Bauch, atmete rasselnd, fiel zurück. Dann wurden ihre Glieder weich, ihre Augen brachen. Eleonores Tante trat hinzu und drückte ihr die Lider zu. Angelina glaubte, in einem Alptraum befangen zu sein. Es konnte doch nicht sein, dass Eleonore tot war. Es dauerte lange, bis sie endlich aufstand.
»Wir konnten ja nicht mal einen Priester holen«, sagte sie mit matter Stimme. Die Tränen flossen ihr immer noch über die Wangen. Die Diener kamen, um die Tote zu waschen und aufzubahren. Der Arzt stellte einen Totenschein aus, in dem vermerkt war: ›Es besteht der Verdacht auf Vergiftung.‹
Giacomo und Lisetta, Eleonores Kinder, waren zurückgekommen. Sie standen bleich, mit aufgerissenen Augen im Zimmer. Sonia nahm sich der beiden an und führte sie hinaus. Angelina folgte ihnen. Sie wischte sich die Tränen ab.
»Ich kann da drin nichts mehr für sie tun«, meinte sie.
»Damit, dass Eleonore sterben würde, hätte ich nie gerechnet«, sagte Sonia, die Arme liebevoll um die Kinder gelegt. Sie schluchzte. »Die armen Kinder! Zum Glück ist ihre Großtante hier!«
Eine Dienerin holte die Kinder ab, um sie ins Bett zu bringen. |225| Lucas kam aus dem Zimmer und meinte: »Komm mit zu uns, Angelina, wir sollten uns besprechen. Es hat uns alle sehr getroffen.«
Angelina schwankte einen Augenblick. Sollte sie das Angebot annehmen?
»Warum ist Eleonore gestorben, was meint ihr?«, fragte sie.
»Sie ist vergiftet worden«, sagte Sonia bitter.
»Es hat etwas mit unseren Geständnissen am Lago Trasimeno zu tun«, folgerte Angelina. »Jemand weiß darüber Bescheid.«
»Aber wie kommt derjenige hierher, und warum sollte er Eleonore vergiften?«, fragte Sonia verzweifelt.
»Wir sind alle in Gefahr!«, sagte Angelina leise. »Vielleicht ist der Mörder sogar in unserer Nähe.«
»Lasst uns schnell von hier fortgehen«, drängte Lucas. »Sonst sind wir die Nächsten.« Er schaute sich vorsichtig um, aber es war niemand da, der sie hätte belauschen können. »Wir müssen jetzt zusammenhalten und uns gegenseitig beschützen.«
Angelina kam ein Gedanke. Er war seltsam und unangenehm, doch er ergab einen Sinn.
»Ich bin es, der euch allen Unglück bringt«, sagte sie. »Ihr müsst euch von mir fernhalten beziehungsweise muss ich mich von euch fernhalten, weil ich jedem Unglück und Tod bringe, der in meine Nähe kommt!«
»Unsinn«, entgegnete Lucas. »Das redest du dir nur ein, weil du dich schuldig fühlst. Aber du bist nicht schuld, an gar nichts!«
»Doch«, sagte Angelina. »Ich weiß es. Ich weiß es in diesem Augenblick genauer, als ich es je geahnt hätte. Ich werde zu Rinaldo gehen und ihm sagen, dass ich fortmuss. Wenn Francesco zurückkommt, sagt ihm bitte, dass ich ihn nicht mehr sehen kann.« Bei diesen Worten stiegen ihr wieder die Tränen in die Augen. Sie wandte sich zum Gehen.
»Angelina, bleib doch«, bat Sonia.
»Ich kann es nicht, Sonia, ich darf es nicht!« Angelina umarmte die Freundin und Lucas und verabschiedete sich von den Gästen mit den Worten:
|226| »Ich muss nach Hause. Seid alle meiner aufrichtigsten Teilnahme versichert. Zur Beerdigung werde ich da sein.«
Sie lief die Treppe hinunter. Auf der Straße schlug ihr ein eiskalter Wind entgegen. Angelina ging langsam durch die dunklen Gassen zur Wirtschaft
Al Carpa
. Ihre Beine waren schwer, die Augen brannten. Sie nahm alles wie in einem Nebel wahr. Um diese Nachtzeit war niemand mehr unterwegs. Warum war sie allein gegangen, hatte sich nicht begleiten lassen? Wenn nun der Mann im Kapuzenmantel käme und sie tötete? Angelina hörte klackende Schritte auf dem Pflaster hinter ihr und begann schneller auszuschreiten. Sollte sie sich verstecken? Aber derjenige hatte sie gewiss schon gesehen.
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