Die Hure von Bremen - historischer Kriminalroman
Warum denken die Menschen, wir haben den bösen Blick, und warum gehen wir nicht in die Kirche, wenn der Erzbischof es doch gutheißt, was wir tun?«
»Weil einige der Menschen nicht verstehen, was wir tun, und deswegen Angst vor uns haben, vor allem die Weiber, dieses tratschsüchtige Volk.«
Etwas entspannter lehnte Lena sich zurück. Sie dachte an das Geld, das sie hier verdienen würde. Zwar wusste sie nicht, wie viel es sein würde, aber irgendwann würde sie damit wieder zu ihrer Mutter zurückgehen.
»Hast du deine Jungfräulichkeit noch?«
»Wie?«
Frau Margarete machte eine ungeduldige Handbewegung. »Lena, du musst offen mit mir sprechen. Gewöhne es dir gleich an. Also hast du sie noch oder nicht?«
Lena war nicht sicher, was gemeint war, obwohl sie es ahnte. Sie zuckte mit den Schultern.
»Hat ein Mann dir beigelegen, irgendeiner, auch wenn es dein Stiefvater war?«
Schockiert sah Lena ihr Gegenüber an. »Nein!«
»Ich gehe davon aus, dass es die Wahrheit ist. Du darfst mich nie belügen, hörst du?«
»Ja«, presste Lena heraus.
»Gut. Dann werden wir einen guten Preis für deine Jungfräulichkeit erzielen.«
Ihr Herz begann zu rasen. So schnell hatte sie nicht damit gerechnet. Die Worte ihrer Mutter kamen ihr in den Sinn. »Die Jungfräulichkeit ist etwas Besonderes. Ein Geschenk an deinen Ehemann. »Meine Un…«
Frau Margarete sah sie ernst an. »Ja.«
»Aber meine Mutter sagte immer, dass das nicht recht ist.«
»Sicher liegt das schon eine Zeit zurück, dass sie es zu dir gesagt hat.«
»Es war im letzten Sommer, als sie meinte, dass wir bald einen Ehemann für mich finden müssen.«
Lena erinnerte sich, wie ihr Vater davon gesprochen hatte, keine Mitgift für sie zahlen zu wollen, und die Mutter hatte ihn angefleht, es doch zu tun, denn sonst würde sie keinen Ehemann bekommen. Doch der Vater war, wie so oft, unnachgiebig geblieben.
»Die Zeiten haben sich geändert. Viele Mädchen werden jetzt von ihren Familien verkauft. Manche finden Arbeit fernab von zu Hause. Im besten Fall werden sie in eine Ehe gegeben. Auch hier klopfen täglich Väter an die Tür und wollen uns ihre Töchter dalassen, doch wir können nicht jede aufnehmen.« Ein Lächeln umspielte ihren Mund, und sie schien einen Moment mit den Gedanken in die Ferne zu schweifen, dann kehrte sie zurück.
»Du hast schönes dunkles Haar, trage es im Haus offen oder binde dir einen Zopf. Aber mach keinen Knoten und bedecke es auch nicht.«
Lena nickte. Sie hatte nie viel auf ihre Haare gegeben und sie eher als störend empfunden, weil sie schwer zu kämmen waren, aber die Worte von Frau Margarete schmeichelten ihr.
»Manche Mädchen haben Freude an dem, was sie tun.«
Lena nahm einen Schluck Wein, um den schlechten Geschmack loszuwerden. Trotz ihrer Angst vor der Antwort, die sich bereits in ihrem Unterbewusstsein abzeichnete, musste sie die Frage stellen: »Was muss ich denn mit dem Mann tun, der mir beiliegt?«
»Hast du nie deinen Eltern dabei zugesehen, wenn auch heimlich?«
Lena spürte die Röte ihre Wangen hinaufkriechen. Tatsächlich hatte sie einmal zugesehen. Martin hatte eine ansteckende Krankheit gehabt, und so musste sie mit ihren anderen Brüdern in der Wohnkammer der Eltern schlafen. Sie konnte sich erinnern, dass ihre Mutter unter ihrem Vater gelegen hatte und er sich schnell auf ihr bewegte. Dann hatte er einen Grunzlaut von sich gegeben und war auf die Seite gerollt. Das war alles. »Nur einmal«, sagte sie zu Frau Margarete, die immer noch auf Antwort wartete.
»Was hältst du davon, wenn wir weitere Fragen auf später verschieben und Dorothea dir erst einmal deine Kammer zeigt?«
Lena schüttelte den Kopf. Sie wollte es jetzt wissen, nicht erst später. Frau Margaretes linke Augenbraue fuhr nach oben, und sie schob energisch das Kinn vor.
»Gehorsam, mein liebes Mädchen, ist etwas, das ich ebenfalls von euch erwarte. Also lass uns später weiterreden. Ich bin müde. Und du sicher auch.« Ohne auf eine Antwort zu warten, läutete Frau Margarete, und Dorothea erschien.
»Gib ihr die Kammer von Almut.«
»Aber die sollte Herbert bekommen«, widersprach Dorothea freundlich.
»Hm. Stimmt, er wartet schon zu lange darauf. Wo ist denn ein Bett frei?«
»Nur bei Angelika.« Dorothea verdrehte die Augen.
»Nun ja, ich denke, es wird gehen. Führe sie hinauf.«
»Dann komm mit mir.«
Wie benommen erhob sich Lena mit wackeligen Beinen, machte noch einen Knicks und folgte der Frau hinaus. Sie
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