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Die Hure von Bremen - historischer Kriminalroman

Die Hure von Bremen - historischer Kriminalroman

Titel: Die Hure von Bremen - historischer Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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sollten nicht merken, wie groß ihre Angst war.
    Ob ihre Mutter wohl wusste, wohin ihr Stiefvater sie gebracht hatte? War ihre Mutter in Sorge um sie, oder war es ihr inzwischen vielleicht auch egal? Lena verdrängte diese traurigen Gedanken und bemühte sich, einen Fuß vor den anderen zu setzen.
    Während sie die Treppen hinaufstiegen, drehte sich Dorothea zweimal nach ihr um. »Hörst du die lachenden Mädchen?«, fragte sie unvermittelt.
    Lena lauschte einen Moment. Sie hörte tatsächlich das eine oder andere Lachen und nickte.
    »Siehst du. Wenn es hier so furchtbar wäre, wie du grade denkst, wenn das, was ihr tut, so schrecklich wäre, glaubst du, dann würde hier auch nur einem Mädchen nach Lachen zumute sein?«
    Lena dachte darüber nach und zuckte mit den Schultern.
    »Sie sind alle aus den gleichen Gründen hier wie du. Weil ihre Eltern Geld brauchten oder sie ihnen lästig waren oder weil sie Hunger gelitten haben oder auf sich allein gestellt waren. Den meisten erging es am Anfang so wie dir. Und bedenke, es sind nur ein paar Jahre. Jahre, in denen ihr keinen Hunger leiden müsst und im Winter nicht zu frieren braucht. Es ist keine schwere Arbeit. Glaub mir. Mir ging es auch mal so wie dir.« Dorothea streichelte Lena kurz über den Kopf, dann blieben sie vor einer Tür stehen.
    »Das wird deine Kammer. Du teilst sie mit Angelika, ein sehr nettes Mädchen. Wenn du Fragen hast, komm zu mir.« Damit öffnete sie die Tür und schob Lena sanft hinein, ehe sie die Tür wieder von außen schloss.
    In dem Raum gab es eine große verschlissene Truhe, zwei Hocker, einen Tisch und eine Feuerschale. Außerdem ein Fenster mit Blick auf die Wehrmauer und dahinterliegende Bäume. Der Leinenstoff zum Schutz vor Regen war im Moment hochgebunden, sodass etwas frische Luft hereinwehen konnte. Die Wände der Kammer waren grauschwarz vom Ruß, den das Feuer verursachte. Lena sank auf den Hocker und sah sich um. Hier also sollte sie die nächsten Jahre leben.
    Resigniert ließ sie den Kopf hängen. Allein konnte sie ihren Tränen freien Lauf lassen, und das tat sie auch, bis sie sich müde geweint hatte. Dann stand sie auf, rollte sich mit ihrem Bündel im Arm auf einem der Lager zusammen und schlief ein.

Kapitel 3
    Sie wachte auf, als die Tür aufging und eine junge Frau eintrat. Ihr Gesicht war schmal und spitz, das Haar dunkel, und sie war von schlanker Gestalt.
    »Ich bin Angelika. Du hast das richtige Bett gewählt, das unter dem Fenster wird deines sein.« Sie betrachtete Lena aufmerksam mit ihren braunen Augen. »Du bist noch eine Jungfrau?«
    Lena fühlte die Röte in ihre Wangen kriechen und nickte stumm.
    »Dann verstehe ich deine Trauermiene. Aber es geht vorbei.«
    Kinderstimmen näherten sich plötzlich ihrer Kammertür, dann wurden sie wieder leiser, als sie sich entfernten.
    »Hier leben tatsächlich Kinder?« Lena war entsetzt, dass sie sich am Mittag nicht verhört hatte.
    »Aber natürlich. Wohin sollen unsere Kinder sonst? Sie haben ja nur uns.«
    »Hast du auch ein Kind?«
    »Ja, einen kleinen Sohn. Otto. Er wird im Herbst fünf.«
    »Und es macht dir nichts aus, dass er … er …«
    »… mit mir hier leben muss?«, ergänzte Angelika.
    Lena nickte. »Ja.«
    »Warum sollte es? Er kennt ja nichts anderes. Außerdem sind alle im Haus gut zu den Kindern, und es ist besser, als auf der Straße zu leben.«
    »Wie alt bist du?«
    »Alt genug, um bald fortzugehen. Ich werde im Badehaus arbeiten, wenn ein Platz frei wird. Wir nehmen uns dann eine kleine Kammer, mein Otto und ich, und dann kann ich alleine für uns sorgen.«
    Beim späteren Abendessen lernte Lena die anderen Mädchen kennen. Die meisten waren nett, manche sehr zurückhaltend. Ursula, eine dralle Blonde von gut zwanzig Jahren, schien die Älteste zu sein. Sie gab den Ton an und war Lena sehr schnell lästig. Kora galt unter den meisten als eitel. Ingrid war schüchtern, hatte sehr männliche Züge und sagte ganz offen, dass sie Männer hasste.
    Herbert, der Hurenwirt, hatte wenig mit den Mädchen zu tun. Er achtete eher darauf, dass kein Freier ausfallend wurde oder den Mädchen etwas antat, und er kassierte das Geld von den Männern. Er war auch für Bestrafungen zuständig, wenn ein Mädchen sich eines Vergehens schuldig gemacht hatte.
    An den folgenden Tagen lernte Lena neue Dinge über die weibliche Reinlichkeit. Etwas, das sie zuvor noch nie getan hatte, war hier an der Tagesordnung. Die Mädchen nannten es innere Wäsche. Ursula

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