Die Hure von Bremen - historischer Kriminalroman
zeigte ihr, wie sie es machte. Dazu wickelte sie sich etwas feuchte Schafwolle um den Zeigefinger und wischte sich das Innere ihrer Scham damit aus.
»Nun bist du an der Reihe, aber als Jungfrau darfst du deinen Finger nicht zu weit hineinstecken. Wasch dich am besten nur vorne an.«
Lena versuchte es und fand es ausgesprochen unangenehm, es vor jemand anderem zu tun, doch Ursula wartete, wobei sie die ganze Zeit ungeduldig mit dem Fuß auf den Boden tippte.
»Nun mach schon«, drängte sie schließlich, und Lena beeilte sich.
»Gut, und das tust du jetzt jeden Tag drei Mal, und in drei Tagen schaue ich, wie gut du es kannst.«
Angeekelt entledigte Lena sich der Schafwolle und zog sich wieder an.
»Und deine Schüchternheit solltest du hier ablegen. Wir haben keine Geheimnisse voreinander und helfen uns gegenseitig.« Sie zupfte an ihrem Kleid herum. »Wo wir grade dabei sind, wie sitzen mein Kleid und mein Haar?«
Lena sah an Ursula herunter. Das Kleid saß gut, war aber zu freizügig. Die Haare waren hübsch über die linke Schulter gekämmt. »Leg dir ein Tuch um, das deine Brüste etwas bedeckt, dann sollte es gehen.«
Ursula sah sie groß an, dann brach sie in schallendes Gelächter aus. Es klang schrill in Lenas Ohren, und sie wusste nicht, was an ihrem Rat so komisch war.
»Mädchen, Mädchen. Je mehr man von dem sieht, was brave Frauen züchtig verstecken, desto besser. Merk dir das.« Sie kniff Lena so kräftig in die Wange, dass diese kurz aufschrie, drehte sich um und ging.
Mit der Tatsache, dass dieses ein Sündenhaus war, ging man hier so gelassen um, als würde man in einem Kloster arbeiten. Lena versuchte, sich von dieser Ruhe anstecken zu lassen, doch es wollte ihr nicht so recht gelingen. Ihr Stiefvater hatte genau gewusst, wohin er sie brachte. Aber konnte es denn dann wirklich so schlimm sein? Lena beantwortete sich die Frage selbst. Schlimm war es, aber anders, irgendwie war die Sünde des Fleisches hier eine Selbstverständlichkeit und fühlte sich nicht böse an. Und wenn ein Erzbischof es guthieß, war es das sicher auch.
Die Mädchen begegneten Lena freundlich, aber zurückhaltend. Auch Angelika kümmerte sich in ihrer freien Zeit nur um ihren Jungen, sodass Lena sich einsam fühlte wie noch nie in ihrem Leben. In der Nacht, wenn Angelika tief und fest schlief, weinte Lena sich heimlich in den Schlaf. Sie vermisste ihre Mutter und die Brüder so sehr, dass es schmerzte. Aber sie konnte jetzt nichts daran ändern, zumindest noch nicht.
Jeden Nachmittag, kurz vor der Abendstunde, kamen die Freier. Es wurde in der großen Diele getrunken und gelacht, gekichert und getuschelt. Für Frau Margarete war es wichtig, dass Geld in die Truhe floss. Darum wurden die Mädchen auch immer wieder von ihr angehalten, die Gäste zum teuren Wein zu überreden. Und wenn ein Mann sich dann ein Mädchen ausgesucht hatte, gingen sie in eine der Kammern, die nur diesem einen Zweck dienten und viel edler eingerichtet waren als die übrigen.
In den ersten Tagen arbeitete Lena in der Nähstube, bestickte Kleider und besserte Löcher oder geplatzte Nähte aus. Das lag ihr, und sie hoffte inständig, dass Frau Margarete sie hier einfach vergessen würde. Aber dem war nicht so.
* * *
Nach ein paar Wochen war es so weit. Der Stadtrat Erich von Geestemünd hatte Lenas Unschuld zu einem guten Preis ersteigert. Zuvor war sie einer Reihe von Männern gezeigt worden, und Frau Margarete hatte ihre Tugendhaftigkeit gepriesen. Beinahe alle anwesenden Männer hatten geboten, und der Ratsherr war schließlich der Sieger gewesen.
Lena hatte immer noch Angst, aber sie war vorbereitet. Angelika hatte sich als nette Kammergenossin erwiesen. Seltsam an ihr war nur, dass sie alles tat, um was man sie bat, liebevoll zu ihrem Sohn war, aber hysterisch wurde, wenn nicht alle Dinge ordentlich an ihrem Platz lagen. Lena hatte das schnell begriffen und versuchte, so gut es ging darauf zu achten. Angelika machte nur eine einzige Ausnahme: Bei ihrem Sohn Otto tobte sie nie. Egal, was dieser anstellte, sie würde ihm nie zürnen. Er gab ihr aber auch selten Grund dazu und war ein recht folgsamer und stiller Junge.
Angelika war es, die Lena zeigte, wie man sich das Gesicht bemalte, die Augen betonte und die Lippen färbte. Für die normalen Bürger war es unter strenger Strafe verboten, sich zu bemalen. Es galt als eitel, doch die Mädchen im Töchterhaus hatten die Erlaubnis des Erzbischofs, obwohl sich schon Männer vor Gericht
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