Die Hure von Bremen - historischer Kriminalroman
beklagt hatten, dass sie dadurch nicht das wahre Alter der Mädchen erkennen könnten.
Inzwischen hatte Lena sogar ein paarmal zugesehen, wenn ein Mann einem der anderen Mädchen beigelegen hatte. Extra dafür war in der Nähkammer ein Loch in der Wand. Da hindurch mussten die neuen Mädchen den erfahreneren zusehen, wie sie mit Männern umgingen. Heute, kurz bevor sie selbst ihren ersten Freier haben würde, stand Lena wieder vor dem Guckloch.
Ursula war mit einem Freier in der Kammer auf der anderen Seite der Wand. Sie sagte nette Dinge zu dem Mann, der gut und gerne ihr Vater sein konnte. Er war sehr beleibt, und sogar von hier aus konnte Lena sehen, wie er schwitzte. Ein Ekelgefühl kroch ihren Magen herauf. Tapfer sah sie jedoch weiter zu, wie Ursula geschickt ihr Kleid zu Boden gleiten ließ und ihm dabei ihr üppiges Hinterteil zeigte. Der Mann, in dessen Beinlingen sich bereits sein erregtes Glied abzeichnete, fasste sie von hinten an den Busen. Ursula kicherte, drehte sich um und schob ihn sanft auf das Bett. Dabei warf sie heimlich einen Blick zum Loch, durch das Lena zuschaute, und zwinkerte kokett.
»Möchtest du, dass ich auf dir reite wie auf einem Pferd?«, fragte Ursula ihren Freier.
»Ja«, keuchte der Mann.
»Du weißt, dass es einen Pfennig extra kostet.«
»Unwichtig.«
Ursula setzte sich auf ihn, hantierte kurz zwischen seinen und ihren Beinen herum und begann sich dann auf und ab zu bewegen. Dabei wurde sie schneller und schneller. Der Mann griff ihr dabei erst an den Busen, dann an den Hintern und, eher als gedacht, war es vorbei. Stöhnend und schwitzend lag er da. Ursula reichte ihm einen Krug Wein, und er trank, noch immer außer Atem.
»Noch mal?«
Der Mann setzte sich langsam auf, wobei Ursula von ihm herunterrutschte.
»Nein. Du hast mich geschafft, und meinen Geldbeutel dazu.« Er lachte.
Die beiden verließen die Kammer. Der Freier ging nach unten, während Ursula Herbert zurief, was er bezahlen musste. Dann ging sie sich reinigen.
Es sah wirklich nicht schwer aus. Meistens war es das gleiche Schauspiel, das Lena sah. Hin und wieder bewegte sich das Mädchen unter dem Mann oder sagte ihm, was er doch für ein glühender Liebhaber sei. Jedes Extra kostete auch extra Geld, nur die sogenannte Missionarsstellung war im Preis inbegriffen. Wollte einer der Freier geritten werden, so wie dieser eben, so musste er tiefer in die Tasche greifen. Ob ein Mädchen sich küssen ließ und dafür ebenfalls mehr Geld kassierte, blieb jeder selbst überlassen. Nach der Reinigung gingen die Mädchen mit dem Kerbholz zu Frau Margarete und ließen sich eine Kerbe hineinritzen. Einmal wöchentlich wurde abgerechnet und das Holz erneuert.
Alle Mädchen wünschten Lena Glück, als sie nach oben ging, um auf den Ratsherrn zu warten. Im Haus herrschte eine eigenartige Stille. Dorothea war extra mit den drei Kindern der Huren, zwei Mädchen und ein Junge zwischen zwei und fünf Jahren, auf das Landhaus gegangen, damit an diesem Tag Ruhe im Haus herrschte. Es war immer etwas Besonderes, wenn eine Jungfrau ihre Unschuld verlor, und anschließend wurde gefeiert.
Lena bekam sogar einige Geschenke. Zwei neue Kleider, ein paar Schuhe, zwei Haarschleifen, Leibwäsche, die kürzer und knapper war als die herkömmliche, und ein eigenes Stück Rosenseife. So viele und teure Geschenke hatte sie nie zuvor erhalten. Sie war beinahe glücklich, auch wenn Frau Margarete ihr eins der Kleider berechnen wollte. Es wurde ihre Leibspeise, ein gutes Stück Rindfleisch, zum Mittagsmahl gebraten, die sie gleich mit dem Freier in der Kammer essen würde. Lena trug eins der neuen Kleider. Es war tief ausgeschnitten, aber noch gab es bei ihr nicht viel zu sehen, denn ihre Brüste waren sehr klein, obwohl sie sicherlich an Gewicht zugenommen hatte, seit sie hier war.
Sie setzte sich an den gedeckten Tisch und wartete. Es duftete nach Kräutern, vermischt mit Rosenwasser. Zwei Talglichter standen in der Mitte des Tischs. Das Bett hatte keine Decke und war frisch bezogen. Angelika hatte gesagt, dass der Mann das Laken später den anderen zeigen würde. Lena wurde rot bei dem Gedanken.
Unvermittelt ging die Tür auf. Sie hatte keine Schritte gehört und fuhr zusammen. Ein lächelnder Mann von Mitte vierzig trat ein und verbeugte sich. Als Lena ihn bei der Versteigerung gesehen hatte, war es nur flüchtig gewesen, und bereits nach einer Stunde hatte sie sich nicht mehr an sein Aussehen erinnern können. Er hatte schlaue graue
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