Die Hure von Bremen - historischer Kriminalroman
Verhalten.«
Lena war sprachlos, öffnete den Mund, ohne etwas zu sagen, und schloss ihn wieder.
Frau Margarete griff nach ihrem Becher und nahm einen langen Schluck, ließ Lena aber dabei nicht aus den Augen.
»Nun mach dir keine Gedanken«, sagte sie plötzlich in einem versöhnlichen Ton. »Ich konnte es richten. Aber untersteh dich, noch einmal in der Öffentlichkeit zu fluchen oder die Bürger anzusehen. Und vor allem: Steck deine Nase nie mehr in Dinge hinein, die dich nichts angehen.«
»Aber …« Lena wollte protestieren, doch Frau Margaretes Augenbauen huschten ungehalten in die Höhe, und so nickte sie nur.
»Und nun sag mir, wie es Marie geht. Ich habe sie seither nicht mehr gesehen.«
»Es geht ihr wieder gut. Ihr Rücken ist beinahe ganz verheilt. Sie sagte auch, dass bei mir nur zwei Narben zurückbleiben, die kaum zu sehen sein werden.«
Frau Margarete schnaubte verächtlich. »Ich sah schon viele ausgepeitschte Rücken, und bei deinem bleiben einige zurück. Denk an meine Worte.«
Wir werden ja sehen, wer recht hat, dachte sich Lena und schwieg.
»Nimm jetzt ein Bad und dann setze dich zu den anderen. Ausgeruht hast du nun lange genug. Es haben schon einige Männer nach dir gefragt.«
Lena erhob sich, machte einen Knicks und ging in ihre Kammer.
Kora war froh, dass Lena wieder da war, und umarmte sie heftig. »Du hast mir gefehlt«, bekannte sie freimütig.
»Du mir auch.« Lena wusste, dass nicht viele der anderen Mädchen mit Kora zurechtkamen. Ihr war es ja früher nicht anders ergangen.
»Du musst mir alles berichten. Ist Marie wirklich eine Hexe, wie viele behaupten? Wie sieht es bei ihr aus?«
»Sie lebt in einer sehr hübschen kleinen Hütte vor der Stadt, hat einen kleinen Kräutergarten. Und eine Hexe ist sie ganz und gar nicht. Sie weiß einfach, welche Pflanzen und Kräuter bei welchen Leiden helfen. Das ist schon alles. Sie hat mir sogar einiges beigebracht, und ich fand es interessant zuzusehen, wenn sie Wunden behandelte.«
Kora zog die Nase kraus. »Du hast dabei zugesehen?«
Lena nickte.
»War das nicht ein Gräuel?«
»Nein, eigentlich nicht.«
»Hm. Seltsam. Wie dem auch sei. Bist du begierig zu erfahren, was hier wegen dir los war?«
»Ich hörte schon von dem Priester.«
Kora winkte ab. »Der Bischof selbst war hier. Er hielt uns ebenfalls eine endlos lange Predigt, sagte, dass du ein schlechtes Beispiel bist und man sich so als Hübschlerin nicht in der Öffentlichkeit benehmen dürfe. Und was geschah dann? Er verschwand mit Ursula in der Kammer.« Kora sah aus, als hätte sie gerade das Geheimnis aller Geheimnisse offenbart, und ebenso empfand Lena es auch.
»Der Bischof selbst?«
»Ja. Stell dir das vor. Hinterher sagte Frau Margarete, es sei ein Segen, dass er seine Hand schützend über unser Haus hält.«
»Und die Bürgerinnen sprechen von Sünde«, bemerkte Lena.
»Ja. Aber wenn es schon der Bischof selbst tut, ist es sicher keine. Immerhin steht er im Kontakt mit Gott. Oder zumindest behauptet er es.« Kora kicherte.
Am ersten Abend nach Lenas Rückkehr kam Jan der Müller zu ihr. Er war einer der Männer, die immer nur zu ihr wollten.
»Oh Lena, ich habe gedacht, dass du fort bist. Ich war richtig unglücklich.«
»Aber du hast doch dein Weib.«
»Das ist etwas anderes.«
»Nun bin ich ja wieder da.«
»Stimmt es, dass man dich ausgepeitscht hat? Tat es sehr weh?«
»Es war schlimm genug.« Lena wollte nicht länger darüber reden und legte sich aufs Bett, ohne ihm ihren Rücken zu zeigen. Sie hielt ihm ihre Hand hin, und er legte sich auf sie.
Als er in sie eindrang, versuchte Lena, an einen Wald mit Bachlauf zu denken, an den Sonnenuntergang, an Rehe und andere schöne Dinge. Sie ignorierte es, dass ein Mann auf ihr lag. Das hatte Marie ihr beigebracht, als sie mit der Übelkeit zu kämpfen hatte, und meistens halfen solche Gedanken. Doch Jan lenkte sie immer wieder ab, indem er ihren Namen sagte. Lena wurde schlecht und hätte ihm am liebsten den Mund zugehalten. Sie ärgerte sich, dass sie Maries Kräutersud heute noch nicht getrunken hatte. Sein Schweißgeruch war heute beißend, und seine Haut auf ihrer war verschwitzt. Dort, wo er sie berührte, begann die Haut zu brennen.
»Oh Lena«, wiederholte er.
»Scht«, machte sie, und er hörte tatsächlich auf. Sie versuchte sich wieder auf die schönen Dinge zu konzentrieren, aber ihre Übelkeit wollte nicht weichen.
Als er fertig war, verabschiedete sie sich und ging sich reinigen.
Weitere Kostenlose Bücher