Die Hure von Bremen - historischer Kriminalroman
Nicht mehr im Hurenhaus zu sein, erfüllte sie mit Freude und Sehnsucht. Sehnsucht nach einem Leben wie diesem.
* * *
Es war mitten in der Nacht, als ein zuckender Schmerz im Unterleib Lena aus dem Schlaf riss. Stöhnend setzte sie sich auf und hielt sich den Leib. Die Angst, dass etwas nicht stimmte, kroch ihren Hals empor und raubte ihr den Atem. Ihre Kleider waren durchgeschwitzt, gleichzeitig fror sie, obwohl das Feuer noch brannte.
Marie schlief nie tief und wachte ebenfalls auf. »Kind, hast du Schmerzen?«
»Nein, es geht. Schlaf nur weiter«, antwortete Lena, konnte aber ein leises Stöhnen nicht unterdrücken.
Die Heilerin ignorierte den guten Rat, schwang sich aus dem Bett und kam zu ihr herüber. Sie klappte die Decke zurück und betrachtete mit einer Sorgenfalte zwischen den Augen Lenas Bauch.
»Wo tut es genau weh?«
»Im ganzen Bauch, keine bestimmte Stelle.«
Marie tastete ihren Leib ab, wobei Lena immer wieder zusammenzuckte. Ohne ein weiteres Wort drehte die Heilerin sich um und hantierte mit einigen Tiegeln. Dann nahm sie ein paar Kräuter und gab sie in einen Becher, anschließend goss sie das Kraut mit heißem Wasser auf, das ständig dampfend über der Feuerstelle hing.
»Das ist Märzblume. Davon trinkst du jetzt drei Mal täglich eine Tasse.« Sie reichte Lena den Becher. »Ich hoffe, es wird helfen.«
»Danke«, sagte Lena und nippte daran. Sie hatte Marie selten so ernst dreinblicken sehen, wodurch auch ihre Sorgen stiegen. Der Sud schmeckte äußerst bitter, und sie verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Puh, das ist abscheulich.«
»Ja, dafür hilft es aber. Die meisten helfenden Kräuter schmecken nicht besonders gut. Morgen gebe ich dir immer einen Löffel voll Honig hinzu, dann sollte es leichter werden.« Sie zwinkerte und deckte Lena wieder zu. »Das Bett wirst du allerdings ein paar Tage hüten müssen.«
»Oh, wie lange?«
»Bis es dir wieder gut geht.«
Lena machte einen Schmollmund. »Na ja, bestimmt hast du recht.«
»Nun trink es aus und dann versuche, wieder zu schlafen.«
Die Schmerzen ließen in den nächsten Tagen nach, und Lena durfte bald wieder aufstehen. Laurenz kam täglich vorbei, brachte ihr eine Handvoll Maronen und die besten Genesungswünsche von Theresa. Auch aus dem Töchterhaus überbrachte er Grüße von Kora, Dorothea und einige anderen.
Um Lena die Zeit zu vertreiben, unterwies er sie im Mühlespiel. Begeistert ließ sie sich die Spielzüge erklären und wurde von Tag zu Tag besser darin. Als sie Laurenz das erste Mal in einer Partie besiegte, stand er auf und spendete ihr Beifall.
»Ich habe gewusst, dass du ein helles Köpfchen auf deinen Schultern trägst. Es war mir ein Vergnügen.« Mit einem schelmischen Grinsen setzte er sich wieder.
»Du machst dich über mich lustig.«
»Ich würde es nicht wagen und meinte durchaus ernst, was ich gesagt habe.«
»Dann vielen Dank.« Unruhig rutschte sie in ihrer halb sitzenden Lage hin und her. Sie wusste langsam nicht mehr, wie sie sich setzen sollte, und wollte endlich wieder nach draußen, doch das hatte Marie ihr bisher noch nicht erlaubt.
Marie, die dabei war, Kräuter zu binden, um sie zum Trocknen aufzuhängen, sah es ihr vermutlich deutlich an, denn sie blickte von ihrer Arbeit auf. »Dein Gezappel ist kaum noch auszuhalten. Morgen darfst du meinetwegen einen kleinen Spaziergang machen. Aber nicht lange und vor allem mit viel Ruhe.«
Lena war erleichtert. »Oh, wie gerne würde ich wieder einmal barfuß durch den Wald laufen und das Moos unter meinen Füßen spüren.«
»Warm genug wäre es dafür, aber ich muss morgen ins Leprosenhaus, deswegen kann ich nicht mit dir gehen, und alleine solltest du dich nicht zu weit von der Hütte entfernen.«
»Wie schade«, erwiderte Lena enttäuscht.
»Ich hätte Zeit«, schlug Laurenz vor. »Wenn du nichts gegen meine Begleitung hast, könnten wir einen kleinen Spaziergang machen.« Er schob die Spielsteine zu einem Haufen zusammen.
»Nein, habe ich nicht, ganz und gar nicht.« Lena strahlte.
»Dann komme ich in der Früh und hole dich ab.«
»Lasst euch von niemandem sehen, ihr seid nicht verheiratet, und bleibt nicht zu lange«, mahnte Marie ihren eifrigen Neffen. »Es ist noch zu früh für Lena.«
»Bis zur Mittagsstunde?«, fragte Laurenz und ließ die Spielsteine in den Beutel fallen.
»Aber nicht länger und nur mit einer ausgiebigen Rast.«
An diesem Abend lag Lena noch lange wach. Sie freute sich auf den Spaziergang wie schon
Weitere Kostenlose Bücher