Die Hure von Bremen - historischer Kriminalroman
wich, schloss sie die Augen und fiel in einen von Fieberkrämpfen geschüttelten Schlaf.
Zwei Tage verbrachte sie zwischen Dämmern und Schlafen, nahm nur am Rande wahr, wie Marie ihr das kleine Wesen an die Brust legte oder Laurenz ihr eine Brühe einflößte. Am dritten Tage wich das Fieber, aber sie fühlte sich kraftlos und müde. Suchend sah sie sich um.
Laurenz lehnte dösend an der Wand neben ihrem Bett, Marie hantierte am Kessel herum. Dann sah Lena das kleine Bündel. Die kleine Decke hob und senkte sich zaghaft. Erleichtert stieß Lena die Luft aus, die sie unwillkürlich angehalten hatte. Ihr Kind lebte. Marie sah sich nach ihr um, und Laurenz schlug die Augen auf. Ein Lächeln huschte über sein müdes Gesicht, als er aufstand und zu ihr kam.
»Endlich!«, sagte er.
»Ich hatte schon befürchtet, du möchtest deine kleine Tochter gar nicht mehr sehen«, sagte nun auch Marie.
»Ein Mädchen.« Lena lächelte.
Behutsam hob Marie das Kind auf und legte es Lena in die Arme.
So kleine Hände, eine winzige Stupsnase. Lena fuhr ihr mit dem Finger über die Augenbrauen. Sie hatte dunkles Haar, genau wie sie selbst, rosige Wangen und war leicht wie eine Feder. Lange Wimpern säumten ihre geschlossenen Augen. Die kleinen Hände waren zu Fäusten geballt. Eine wohlige Wärme breitete sich in Lena aus, als sie ihre Tochter in den Armen hielt. Unendlich zärtlich streichelte sie ihr über den Kopf.
»Sie hat dir ganz schön zu schaffen gemacht.« Laurenz setzte sich neben das Bett und betrachtete sie.
»Ja, das hat sie. Aber sie war der Mühe wert. Ist sie nicht wunderschön?«
»Das stimmt, aber vermutlich wird sie genau so stur wie ihre Mutter«, mahnte Marie lächelnd. »Wie willst du sie nennen?«
Lena musste nicht lange überlegen. »Veronika klingt hübsch, oder?«
»Ja«, bestätigt Laurenz.
»Welche Augenfarbe hat sie?«
»Na blau, wie alle Neugeborenen.« Marie grinste.
»Ach ja. Das hatte ich glatt vergessen.« Lena errötete leicht. »Aber gesund ist sie, oder?«
»Gesünder als ihre Mutter. Soweit es sich bisher sagen lässt, ist sie ein kräftiges Mädchen.« Für einen Moment sah es so aus, als würde Marie Laurenz einen warnenden Blick zuwerfen, doch er betrachtete nur versonnen das Kind, welches sich in diesem Moment regte und die Augen aufschlug.
»Oh, bist du schön.« Lena küsste das Mädchen, das gerade unbeholfen mit den Armen ruderte.
»Du musst sie anlegen. Sicher hat sie großen Hunger.«
Lena schob ihr Hemd nach oben und versuchte umständlich, Veronika ihre Brustwarze in den Mund zu geben. Beherzt zeigte Marie ihr, wie sie das Kind halten musste.
»Danke. Eigentlich kenne ich es durch meine Brüder. Ich habe oft zugesehen. Aber wenn man es selbst macht, ist es dennoch neu.«
Marie strich Lena kurz über den Kopf. »Die letzten beiden Tage mussten wir es tun. Du warst nicht dazu in der Lage. Es ist beinahe ein Wunder, dass du noch am Leben bist.«
»Oh. Ich dachte nicht, dass es so ernst war.«
Veronika begann langsam, Lenas Milch zu trinken. Es war Nähe und Zärtlichkeit zugleich, und ein tiefes Glücksgefühl breitete sich in ihr aus. »Herr im Himmel, ist das schön.«
»Das will ich gerne glauben.« Laurenz grinste, erhob sich schnell und ging nach draußen, ohne ihre Antwort abzuwarten.
»Frecher Hund«, rief Lena ihm lachend hinterher und legte Veronika, die inzwischen eingeschlafen war, behutsam neben sich. Dann wurde sie ernst. »Wie bald werde ich ins Töchterhaus zurückkehren müssen?«
»Vorerst noch nicht. Aber in einigen Wochen sicher«, antwortete Marie. Sie wirkte betrübt.
»Mitnehmen will ich sie nicht. Sie soll nicht dort aufwachsen.« Lena betrachtete ihr schlafendes Kind. »Was aber soll ich mit ihr anstellen?« Hilfesuchend sah Lena zur Heilerin, die seufzte und mit den Schultern zuckte.
»Es ist dein Kind und deine Entscheidung, aber viele Wege bieten sich dir nicht. Da du sie nicht zu deinen Eltern bringen kannst und auch keine Verwandten hast, die das Kind nehmen würden, bleibt dir nicht viel.«
»Ich weiß.« Zärtlich streichelte sie das kleine Geschöpf neben sich, das zufrieden schlummerte. Ihr kleiner Mund bewegte sich immer wieder, als würde sie noch trinken.
»Ich wüsste eventuell eine Lösung.« Marie kratzte sich am Kopf.
»Welche, sprich«, bat Lena erwartungsvoll.
»Theresas Mutter, Astrid, verlor vor zwei Jahren ein Kind und hat sich seither als Amme verdingt. Für ein paar Münzen würde sie sich Veronikas bestimmt eine
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