Die Hure von Bremen - historischer Kriminalroman
Abend.«
»Juckt das hier?« Marie zog mit ihrem Finger eine Linie um eine der geröteten Stellen.
»Ja!«
»Zieh bitte dein Hemd hoch.«
Stützend legte Marie ihre Hand um Lenas Rücken, die sich nun stöhnend aufsetzte. Dann zog sie ihr Hemd hoch. Auf dem Bauch und den Armen waren Pusteln und erhobene helle Flächen verteilt. Mal vereinzelt, mal waren es drei bis vier nebeneinander. Maries Blick fiel auf die Schale neben Lenas Lager.
»Hast du dich übergeben?«
»Zweimal.«
Marie lächelte. »Den anderen hast du eben einen Schrecken eingejagt. Sie denken sicher, du hast die Pest oder etwas in der Art. Aber es ist ganz harmlos. Beides. Du kannst unbesorgt sein. Die Schmerzen im unteren Bereich kommen von der Schwangerschaft. Dein Kind wächst, und die Knochen müssen Platz machen. Du musst einfach etwas mehr ruhen. Diese juckenden Quaddeln sind Nesselfieber. Irgendetwas hast du gegessen, das du nicht vertragen hast.«
Erleichtert sah Lena bei dieser frohen Kunde nicht aus, und Marie stutzte. »Ich hätte nun erwartet, dass du erfreut über diese Botschaft bist. Was also bedrückt dich?«
Unvermittelt brach das Mädchen in Tränen aus.
»Kind, was ist denn los?« Liebevoll legte Marie ihren Arm um die Schulter von Lena.
»Sagst du es auch bestimmt nicht weiter?«
»Wenn du es wünschst, dann nicht.«
»Ich ekel mich so, Marie. Ich kann kaum noch schlafen und erstarre, wenn ein Mann in meine Nähe kommt«, schluchzte sie. »Oft, wenn ein Mann bei mir war, muss ich danach erbrechen, trotz deiner Kräuter. Essen kann ich kaum noch etwas. Mir ist immer schlecht.«
Schwer setzte Marie sich auf die Bettkante. Sie selbst hatte noch nie einem Mann beigelegen, doch schon viele von ihnen gesehen und behandelt. Ja, die meisten stießen auch sie ab. Sie stanken und waren nicht selten unsauber. Viele von ihnen schwängerten ihre Frauen, sobald sie wieder gebärfähig waren. Die Frauen, die zu Marie kamen, klagten ihr oft ihr Leid mit dem Ehemann. Ein Vergnügen war es anscheinend nicht. Wenn sich nicht etwas änderte, würde Lena bald an einem kranken Magen leiden, falls sie das nicht schon tat.
»Ich versprach dir eine Lösung, und ich habe eine.«
Margarete verzog spöttisch die Mundwinkel. »Sicher erwartest du Geld für ihre Verpflegung von mir.«
»Sie kann mir zur Hand gehen, solange sie noch beweglich ist. Später kann sie Kräuter mahlen. Sorge dich nicht um Geld. Ich werde sie schon irgendwie satt bekommen, selbst wenn ich es mir vom Mund absparen muss.« Marie faltete ihre Hände auf dem Schoß und lächelte treuherzig.
Sie hatte Margarete von Lenas Leid erzählt, von ihrer ständigen Übelkeit und dem Nesselfieber. Margarete glaubte, es sei ansteckend, und Marie ließ sie in dem Glauben. Widerwillig hatte die Hurenwirtin schließlich eingewilligt, dass Marie Lena für den Rest der Schwangerschaft mit zu sich nach Hause nehmen würde.
»Ich werde dir eine angemessene Summe geben«, entschied Margarete mit einer energischen Handbewegung. »Hungern soll keine von euch, auch wenn Lena es verdient hätte.«
»Sei nicht so hart zu ihr. Ich erinnere mich, dass es auch dir passiert ist.«
Margaretes Augen funkelten gefährlich, aber sie griff wortlos unter den Tisch, zog eine Holzschachtel hervor und öffnete sie so, dass Marie nicht sehen konnte, was sich darin befand. Doch sie wusste es auch so: Die Hurenwirtin versteckte dort immer etwas Geld. Sie zählte ein paar Münzen ab und legte sie vor Marie auf den Tisch. »Und jetzt mal ehrlich. Warum tust du das für das Mädchen?«
Nachdem Marie das Geld eingesteckt hatte, zuckte sie mit den Schultern. »Sie gehört einfach nicht hierher, und das weißt du.«
Kapitel 6
So wohl wie bei der Heilerin hatte Lena sich seit Ewigkeiten nicht gefühlt. Die kleine Hütte war gemütlich, es duftete nach Kräutern, Blumen, Erde und Holz. Marie bemutterte Lena so sehr, dass sie ein schlechtes Gewissen hatte, weil sie ihr nicht viel helfen durfte. Dafür brachte Marie ihr viel über Kräuter, Tinkturen und Salben bei und wie man sie anwendete. Neugierig sah Lena zu, wenn Marie Wunden von Verletzten versorgte, Brüche richtete, Verbrennungen behandelte und andere schwangere Frauen untersuchte.
»Die meisten Mädchen würden beim Anblick einer tiefen Wunde einfach umfallen.« Marie betrachtete Lena anerkennend, während sie gerade einen verletzten Jungen versorgte.
»Mir hat Blut noch nie etwas ausgemacht, und Wunden sah ich bei meinen Brüdern. Wenn sie versorgt
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