Die Hure von Bremen - historischer Kriminalroman
bekniete mich, so zu tun, als hätte ich ihn nicht gesehen. Ich nehme an, er fürchtete, dass ein Geständnis den Schwager richten könne und er für seine Schwester und ihre sechs Bälger aufkommen müsse.«
»War er denn schuldig?«, wollte Lena nun wissen.
»Nein. Der Brandstifter war ein Müller, der kurz darauf von einer Wäscherin angezeigt wurde und der auch ohne meine Hilfe gestand.«
»Allerhand. Komm herein und iss etwas.«
»Das ist gut gemeint, aber eigentlich möchte ich nur noch schlafen.«
Lena nickte und bereitete ihm das andere Bett zu.
»Hast du geschlafen?«, wollte er wissen, während er sich seiner Kleider entledigte.
»Nein, aber ich bin auch nicht müde.«
Laurenz zog eine Augenbraue nach oben. »Du bist seit gestern Morgen wach. Ich denke, du bist müde.«
Natürlich war sie es, aber sie traute sich nicht zu schlafen. »Was, wenn ich dann einen Ruf von ihr überhöre?«
Laurenz griff nach ihrer Hand, zog sie zum Bett, sodass sie sich setzen musste. »Lena, hör mir zu. Sie ist nicht hier. Glaub mir, mir liegt genauso viel daran, sie zu finden, wie dir. Ich habe sie aufwachsen sehen und lieb gewonnen. Wäre sie in der Nähe, hätten wir sie gefunden.«
Lena schluckte und kämpfte mit den Tränen.
»Sch…« Er zog sie zu sich herunter, und als sie neben ihm lag, nahm er sie behutsam in den Arm. »Versuch, etwas zu schlafen, ich bleibe wach.«
Tatsächlich schlief Lena ein. Zweimal musste Laurenz sie wecken, weil sie im Schlaf schrie, und beide Male war sie schweißgebadet. Am Abend löste sie Laurenz ab.
Als er eingeschlafen war, ging Lena nach draußen. Es regnete, und sie fürchtete, durch das Prasseln ihre Tochter zu überhören. Jedes Geräusch ließ sie aufhorchen, doch ihre Tochter kam nicht. Erst als sie bis auf die Haut durchnässt war und ein Sturm kleine Äste durch die Luft wirbelte, ging sie schweren Herzens wieder hinein.
Laurenz wachte beim ersten Donnerschlag des Frühlingsgewitters auf. »Wie lange habe ich geschlafen?«, fragte er müde.
»Ein paar Stunden. Es wird bald Tag, und du solltest etwas essen, ehe du deinen Dienst machst.«
Hastig schlang Laurenz die Brühe hinunter, die Lena ihm wieder aufgewärmt hatte.
»Ich vermisse sie«, sagte Lena plötzlich, als ihr Blick auf Marie fiel.
»Ich auch. Aber wir müssen sie unter die Erde bekommen.«
Lena nickte.
Kurz darauf verließ Laurenz die Hütte, versprach aber, bei seinem Rundgang durch die Stadt nach Veronika zu suchen.
Um sich über den Tag zu beschäftigen, räumte Lena die Regale wieder sorgfältig auf. Sie sortierte die Kräuter, die Salben, die Tinkturen, die Seifen und die Duftwässer. Ein leerer Platz im Regal machte sie stutzig. Ein Tontopf fehlte. Unter den zerbrochenen Teilen war er nicht gewesen. Es war ausgerechnet der, in dem Marie immer die giftigen Kräuter aufbewahrte. Außer der Tollkirsche hatte Marie selten einen Vorrat an giftigen Pflanzen gehabt, weil sie der Meinung war, es sei zu gefährlich, sie im Haus aufzubewahren.
Am Abend berichtete Lena Laurenz davon. »Vielleicht hat der Mann den Topf mitgenommen. Er schrie: ›Sag mir, wo du es versteckt hast‹.«
»Das könnte ein Grund für seine Tat sein.«
»Warte.« Lena sprang auf. Ihr war eine Idee gekommen. Aufgeregt lief sie nach draußen und sah hinter dem Haus auf den Komposthaufen, den Marie zum Düngen ihres kleinen Kräutergartens nutzte. Laurenz folgte ihr.
»Was suchst du da?«, wollte er wissen, während Lena die letzten Abfälle der Heilerin durchwühlte.
»Das hier.« Sie zog ihr Kleid über die Hand, weil sie es nicht mit bloßen Fingern anfassen wollte. Triumphierend zog sie einige Stängel hervor und hielt sie in die Luft.
»Was ist das?«
»Wolfswurz. Hochgiftig und vermutlich vor Kurzem geschnitten. Sie sind noch nicht mal verwelkt.«
»Was bedeutet das, Lena?«
»Vermutlich, dass der Mörder dieses Kraut von ihr wollte, oder … Warte!«
Schnell rannte sie zurück ins Haus, und ein verwirrter Laurenz folgte ihr erneut. Lena griff ins Regal und holte die Schale herunter, die Marie zum Zerstoßen von Pflanzen benutzte. Er hatte nach dem Kampf auf der Erde gelegen. Lena betrachtete das Innere der Schale genau, wischte mit dem Finger den Innenraum aus und roch daran. Eilig spülte sie sich danach die Hände ab, dann lächelte sie das erste Mal seit zwei Tagen. »Es war das letzte Kraut, das deine Tante zerstoßen hat.«
Laurenz nickte. »Damit haben wir aber immer noch nicht den Mörder dazu.«
»Aber
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