Die Hure von Bremen - historischer Kriminalroman
über die Hübschlerinnen. Hier waren keine bösen Frauen am Werk, aber das hatte Marie ihr schon immer gesagt.
Hanna nickte wissend, schnitt von einem Kuchen ein großes Stück ab, goss ein Glas Milch ein und reichte Lena beides. »Lass es dir schmecken.«
Genüsslich kauend beobachtete Lena, wie geschickt sich Hanna in der Küche anstellte, als Regina eintrat.
»Guten Tag, Lena. Wie geht es dir? Du wolltest mich sprechen?« Sie wirkte überrascht.
»Danke, es geht mir so weit gut, aber ich habe eine Bitte an dich. Kann ich dich alleine sprechen?«
»Wir haben keine Geheimnisse voreinander. Du kannst hier ganz offen sprechen.«
Lena war unsicher, und Regina bemerkte es. »Auch dringt kein Wort von dem, was jemand hier erzählt, nach draußen.«
Erleichtert nickte Lena. »Ich bin auf der Suche nach dem Mörder von Marie.«
»Das ist doch Aufgabe des Vogts und seiner Büttel.«
»Ja, aber du weißt sicherlich selbst, dass sie nicht sehr gewissenhaft arbeiten, vor allem wenn es um Menschen wie Marie geht.«
»Das hört man leider oft.«
»Außerdem …« Lena warf Hanna einen kurzen Seitenblick zu, doch diese war damit beschäftigt, einen Teig zu kneten, und interessierte sich anscheinend nicht für das Gespräch. »Außerdem habe ich eine kleine Tochter, und wir sind überzeugt, dass Maries Mörder sie hat.«
»Du armes Mädchen, wie furchtbar. Was willst du jetzt tun, und wie kann ich dir helfen?«
»Ich möchte dich nur um eine winzig kleine Gefälligkeit bitten. Du sollst mich zum Haus eines Ratsherrn begleiten. Ich will mich dort als Magd vorstellen, um herauszubekommen, ob sie meine Tochter haben.«
Da nun alles gesagt war, atmete Lena tief ein und wartete auf Reginas Reaktion. Sie hoffte inständig, dass sie Ja sagen würde. Allein konnte sie nicht hingehen, keine Frau tat das, wenn sie wegen einer Arbeit vorstellig wurde. Eigentlich gingen die wenigsten Frauen überhaupt allein durch die Stadt.
Regina betrachtete Lena eingehend. »Du bist noch jung, aber wirkst, als hättest du viel gesehen. Ich werde meine Oberin fragen. Warte hier und iss deinen Kuchen auf. Warm schmeckt er am besten.«
Lena nickte, doch der Appetit verging ihr. Sie glaubte nicht, dass man es Regina erlauben würde. Immerhin war sie eine Hure, hatte einen Bastard und wollte ihre Herkunft einem Ratsherrn verschweigen. Enttäuscht ließ sie die Schultern hängen.
»Traurig sein kannst du, wenn Regina dir sagt, dass es nicht geht. Vorher besteht immer Hoffnung. Iss dein Backwerk.« Hanna zwinkerte ihr zu. Sie hatte doch jedes Wort gehört.
»Sehr weise Worte.« Lena gehorchte und aß den Kuchen auf. Er schmeckte wirklich köstlich.
»Und es ist so einfach. Warum sich über etwas grämen, das noch nicht geschehen ist. Damit macht man es sich nur unnötig schwer.«
»Das will ich mir merken.« Lenas Laune hob sich wieder.
Nachdem sie auf Hannas Drängen ein weiteres Stück Kuchen verzehrt hatte, kam Regina tatsächlich mit einer guten Kunde zurück: Sie würde Lena zum Haus des Ratsherrn begleiten.
»Du willst dort also als Magd vorstellig werden. So jedoch kannst du nicht hingehen, du siehst aus wie eine Bettlerin.« Regina musterte Lena skeptisch.
Lena hatte sich nicht Maries bestes Kleid herausgesucht. Es wäre ihr sonst wie Diebstahl vorgekommen. »Ich dachte, in meinem würde man mich eher erkennen.«
»Vermutlich.« Regina kratzte sich nachdenklich am Kopf. »Komm mit, wir haben noch ein paar Kleiderspenden. Sicherlich finden wir dort etwas Passendes.«
In einer kleinen Kammer hinter der Küche waren einige Truhen voll Kleider, die ihnen Bürger gespendet hatten. Manche stammten auch aus dem Nachlass von Verstorbenen.
Ein schlichtes, aber gutes blaues Kleid passte Lena, und Regina schien zufrieden zu sein. »Damit siehst du wie eine Magd aus. Wann willst du zum Ratsherrn?«
»Am besten jetzt gleich, falls es dir recht ist.«
»Dann lass uns aufbrechen.«
Nahe dem Markt, in der Hohenstraße, stand das vierstöckige Haus des Ratsherrn Constantin Mindermann. Es war imposant, bestand aus Fachwerk gemischt mit neuartigen kleinen Ziegelsteinen. 1355, die Jahreszahl stand über der Tür. Zahlen lesen konnte Lena. Das Haus war also erst vor einem Jahr fertig geworden, es war noch sauber und frei von Moos. Das mittlere Geschoss hatte sogar ringsherum gelbe Glasfenster.
Prüfend warf Lena noch einen Blick auf ihr Kleid und den Umhang, zupfte ihn etwas zurecht und nickte Regina dankbar zu, ehe sie den Türklopfer
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