Die Hure von Bremen - historischer Kriminalroman
Marie eine Ausgeschlossene, ebenso wie sie selbst. Ihrem Schwur würde niemand glauben. Vermutlich müsste sie sich sogar einer Gottesprüfung unterziehen. Und nach dem Kind einer Hure würde niemand Ausschau halten. Daran würde auch Laurenz nichts ändern können, obwohl er Büttel war.
»Willst du mich begleiten?«
»Wenn es dir nichts ausmacht, möchte ich gerne hierbleiben. Falls Veronika zurückkommt. Wie lange wirst du brauchen?«
»Ich beeile mich.«
»Ich möchte heute noch den Wald durchsuchen. Vielleicht ist Veronika aus Angst hineingelaufen und irrt nun umher.«
»Dann bringe ich ein paar Männer mit. Wir suchen das Kind, und du wartest hier, falls sie doch auftaucht.«
»Ist gut.«
»Ich wäre dir dankbar, wenn du die Totenwache übernehmen könntest. Ich habe morgen Dienst und kenne sonst niemanden, den ich lieber bei ihr sähe als dich.« Er lächelte, und wie jedes Mal leuchteten dabei seine Augen, die von so tiefem Blau waren, wie Lena sich das Meer vorstellte. Dieses Mal jedoch schwammen seine Augen voller Tränen.
»Geh nur, ich bleibe bei ihr.«
»Und wenn der Mann zurückkommt?«
»Dann habe ich das hier.« Lena klopfte sich auf ihren rechten Schenkel, wo sich unter ihrem Kleid ein Dolch abzeichnete, den jedes Mädchen im Töchterhaus für den Notfall besaß. »Ich weiß mich zu wehren.«
Laurenz nickte. »Was ist mit dem Töchterhaus?«
»Erzähl bitte Frau Margarete, was geschehen ist. Ich hoffe, sie wird es verstehen.«
»Werde ich machen. Ich komme zurück, sobald alles geregelt ist. Pass auf dich auf, Mädchen.« Damit verließ er sie.
Inzwischen war es dunkel geworden, und mit der Nacht wurde es kühl. Wenn Veronika in den Wald gelaufen war, musste sie schreckliche Angst haben. Der Gedanke daran schnürte Lena beinahe die Luft ab.
Fröstelnd ging sie in die Hütte zurück, ließ aber die Tür offen und entfachte das Feuer neu, dann räumte sie die restlichen zerbrochenen Teile weg, rückte den Tisch gerade und schob den Schemel zurecht. Nun musste sie Marie herrichten. Behutsam zog sie das Laken von ihrem Körper, bürstete das Haar der Toten und wusch ihr das Blut aus dem Gesicht. Nachdem alles fertig war, entzündete sie ein Talglicht.
Anschließend ging sie wieder vor die Hütte, betrachtete die funkelnden Sterne und lauschte. Es war eigentlich eine wunderschöne Frühlingsnacht. Der Mond war nur als Sichel zu sehen, und die Luft roch nach frischer Erde und feuchtem Moos. »Mögen die Engel dich beschützen«, flüsterte sie.
Schritte auf dem Weg ließen sie aufhorchen, dann tauchten Fackeln auf. Es war Laurenz mit einigen Männern.
»Wir werden sie jetzt suchen«, sagte er.
Lena nickte und sah sich die Männer an. Einige kannte sie aus dem Töchterhaus, aber es störte sie nicht. »Bitte findet sie.«
»Wenn sie im Wald ist, bringen wir sie dir zurück.« Damit machten sie sich auf den Weg. Lena beobachtete die kleiner werdenden Fackeln und lauschte den langsam verstummenden Schritten.
Stundenlang saß sie vor der Hütte, ging auf und ab und horchte auf jedes Geräusch, ging wieder auf und ab und wartete. Ihre Gedanken kreisten um ihr Kind. Veronika, wie sie die ersten Worte brabbelte, die ersten Schritte tat, und vor allem dieses strahlende Lächeln, jedes Mal, wenn Lena sie besuchte. Als schließlich der Morgen anbrach, kochte sie eine Brühe für die Männer, die noch immer nicht zurückgekehrt waren.
Erst nach der Mittagsstunde, als die Sonne ihren höchsten Stand bereits verließ, kam Laurenz allein zurück. Gespannt wartete Lena auf seine Neuigkeiten, aber als sie in sein Gesicht sah, wusste sie bereits, dass es keine guten waren. Traurig schüttelte er den Kopf. Er sah müde aus. Schatten hatten sich unter seine Augen gelegt.
»Die Männer?«, fragte Lena.
»Sind nach Hause gegangen. Wir haben den ganzen Wald durchsucht. Dort ist sie bestimmt nicht.«
Steif nickte Lena. Sie war sicher, dass er getan hatte, was er konnte. »Ich danke dir. Was hat der Vogt gesagt?«, fragte sie, um sich von der Enttäuschung abzulenken.
»Dass es schwierig wird, wenn wir keinen Zeugen haben, der eindeutig jemanden erkannt hat. Aber das habe ich schon geahnt. Dennoch hat er versprochen, seine Ohren offen zu halten. Das ist mehr, als er sonst unternehmen würde.« Laurenz lachte kurz auf, doch es war kein fröhliches Lachen. »Immerhin schuldet er mir einen Gefallen.«
»Wieso, was hast du Gutes für ihn getan?«
»Ich sollte seinen Schwager festnehmen, doch der Vogt
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