Die Hure von Rom - Walz, E: Hure von Rom
Rom, und wenn ihr Traum in Erfüllung ging und sie durch die Pforte des Vatikans traten, stellten sie fest, in ein Spinnennetz geraten zu sein, in dem sie sich zunehmend, je mehr sie zappelten, verfingen.
Wie Massa zu werden, wie einer der anderen zu werden – bei diesem Gedanken lief es Sandro kalt den Rücken hinunter.
Der Wein funkelte in sattem Dunkelrot in einer Kristallkaraffe, nur wenige Schritte von Maddalena entfernt, und Sandro konnte nicht widerstehen. Nachdem er einen ersten Kelch gefüllt und getrunken hatte, füllte er einen zweiten, mit dem er dann langsam durch die Villa schritt. In der linken Hand hielt er den Kelch, mit der rechten Hand suchte er nach Hinweisen, die ihn auf eine Spur bringen würden. Zwischendurch stellte er den Kelch ab, um irgendetwas genauer zu betrachten oder um weitere Kerzen anzuzünden, aber sobald er den Kelch wieder aufnahm, trank er einen großen Schluck.
Die Villa war nach neuester Mode eingerichtet. Rot schien die Lieblingsfarbe Maddalenas gewesen zu sein. Jeder Stuhl war rot bezogen, jede Säule bestand aus rötlichem Marmor. Ein Porträt Maddalenas, aus Tizians Hand, hing an bevorzugter
Stelle der Wohnhalle über dem Sekretär aus Kirschholz. Es zeigte sie mit einem feinen Lächeln und aufmerksamen, klugen Augen. Sie sah aus wie eine Frau, die noch viel vorhatte, eine Frau, die keinen Gedanken daran verschwendete, diese Welt zu verlassen. Der Tod hatte sie plötzlich getroffen, ohne Vorbereitung, herausgerissen aus den Plänen und Hoffnungen, die eben noch die Welt bedeuteten und nun nichts mehr wert waren. Und das, fand Sandro, war die schlimmste Art zu sterben.
Der Sekretär war verschlossen. Sandro suchte den Schlüssel in den Schatullen, die überall herumstanden, doch die meisten waren leer oder mit Zündsteinen und Kerzen gefüllt. Auch im Schlafgemach, in der Nähe des geradezu königlichen Bettes, suchte er vergeblich. Auf dem Toilettentisch lagen etliche braun verfärbte Tücher: Maddalena hatte sich vor ihrem Tod noch abgeschminkt.
Er drehte jede Vase und jeden Leuchter in der Villa um – ergebnislos. Dann kam er auf die Idee, bei der Leiche selbst zu suchen, und tatsächlich: Der Schlüssel lag unter der Hand, die auf der Brust ruhte. Vorsichtig – und mit einem unguten Gefühl, die Brust einer toten Frau zu berühren – nahm er den Schlüssel an sich. Dabei fiel ihm Maddalenas Halskette aus winzigen Saphiren auf. Die Steine bildeten den Namen »Augusta«.
Sehr ungewöhnlich! Augusta bedeutete »Die Erhabene«. Ein Geschenk von einem Verehrer? Ein Geschenk des Papstes? Bevor er Maddalenas Kopf anhob, um die Halskette zu lösen, trank er einen Schluck Wein, und nachdem er die Kette an sich genommen hatte, trank er einen weiteren. Dann füllte er das Glas wieder auf.
Der Schlüssel passte. Maddalena hatte offensichtlich unmittelbar vor ihrem Tod den Sekretär abgeschlossen, oder sie hatte vorgehabt, ihn zu öffnen.
Sandro klappte die schwere Deckplatte des Sekretärs, die im geöffneten Zustand zugleich als Schreibplatz diente, auf. Das Innere des Möbels bestand aus mindestens zwanzig kleinen Schubladen, die allesamt beschriftet waren wie das Magazin eines Apothekers. Nur, dass die Aufschriften nichts mit Heilkunde zu tun hatten: Siegelwachs, Briefumschläge, Rechnungen, Wechsel, Geld... Maddalena schien viel von Ordnung gehalten zu haben. Außerhalb der Schubladen lag ein bisschen Krimskrams: eine halb verbrauchte Kerze, ein Fass Tinte, eine Feder, ein Stapel mit fünf leeren Geldsäckchen aus hellbraunem Leder und zwei etwas größern Geldsäckchen aus schwarzem Leder, ein Paar silberne Smaragdohrringe, ein Golddukat, zwölf Denare, ein Fächer mit erotischen Motiven und ein Amulett aus Jade.
Zwei Schubladen weckten Sandros Aufmerksamkeit.
Zunächst fiel ihm auf, dass es offenbar mehrere Fächer für Briefpapier gab. Drei Fächer enthielten normales, wenn auch hochwertiges Papier, ein viertes Fach jedoch enthielt zwei unbeschriebene Bögen eines speziellen Briefpapiers, in das ein Wappen mit drei Buchstaben eingeprägt war. Sandro hielt einen Bogen gegen das Kerzenlicht. Er las: RCA.
Reverenda Camera Apostolica. Es handelte sich um das Wappen der Apostolischen Kammer. Die Bank des Vatikans. Die Finanzzentrale der Heiligen Römischen Kirche.
Wie war es möglich, dass Briefpapier der Apostolischen Kammer, wenn auch nur zwei Bögen, in den Sekretär einer Konkubine gelangt waren? Hatte der Papst es hergebracht, und wenn ja, warum?
Bevor
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