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Die Hure von Rom - Walz, E: Hure von Rom

Titel: Die Hure von Rom - Walz, E: Hure von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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er länger darüber nachdenken konnte, fiel ihm eine weitere Schublade mit einer neugierig machenden Aufschrift auf.
    »Kunden«, sagte Sandro laut und trank das Glas leer, bevor er die Lade öffnete und eine Schriftrolle entnahm. Sie war mit
einem roten Band umwickelt, das zu einer niedlichen Schleife gebunden war. Die Kundenliste einer Konkubine, der Konkubine schlechthin. Man musste kein Ermittler sein, um gerne einmal einen Blick darauf zu werfen.
    In dem Moment, als Sandro das Band löste, hörte er ein lautes Klappern aus dem Nebenraum, dem Speisezimmer, in dem er eben noch auf der Suche nach dem Schlüssel gewesen war. Er horchte auf, aber das Geräusch wiederholte sich nicht. Langsam schlich er zur Tür. Er stieß sie mit dem Fuß sacht auf. Die Kerzen, die er vorhin angezündet hatte, brannten noch immer, aber sie flackerten, und ein Vorhang wölbte sich im Wind, der durch eine geöffnete Tür drang. Diese Tür war Sandro bisher entgangen, weil der Vorhang sie halb verdeckte. Erneut schlug sie, bewegt durch den Luftzug, zu und wieder auf. Sie führte auf eine Terrasse, von der aus man bei Tag einen atemberaubenden Blick auf die Ewige Stadt haben würde. Von der Terrasse wiederum führte eine schmale Treppe in den Garten. Das beantwortete die Frage, wie der Mörder die Villa verlassen hatte.
    Zurück im Wohnraum, füllte Sandro den Kelch und leerte ihn sogleich. Dann öffnete er die Schriftrolle. Ganz oben stand »Kundenliste«, und gleich darunter reihten sich sieben Namen, teilweise von Mitgliedern der ehrwürdigsten römischen Familien.

    Vincenzo Quirini
Guiseppe Orsini
9000 D.
Leo Galloppi
5 000 D.
Mario Mariano
7000 D.
Rinaldo Palestra
5000 D.
Ludovico Este
7000 D.

    Das D stand vermutlich für Denare, Silbergeld. Die Herren hatten hübsche Summen bezahlt, um in den Genuss von Maddalenas Schönheit und erotischen Künsten zu kommen. Für ein paar tausend Denare ließ sich ohne Weiteres ein Fest für drei ßig, vierzig Gäste ausrichten – das aber wahrscheinlich weniger amüsant war als eine Nacht mit einer berühmten Konkubine.
    Unter diesen ersten sechs Namen war der von Vincenzo Quirini der Auffälligste, denn Quirini war nicht nur Kardinal, sondern auch camerarius , der Hohe Kämmerer der Apostolischen Kammer. Das war nun schon der zweite Hinweis auf die Finanzverwaltung des Kirchenstaates. Zudem war auffällig, dass hinter Quirini kein Geldbetrag stand wie bei den anderen.
    Doch für Sandro zählte vorerst nur der siebte Name auf der Liste.
     
    Alfonso Carissimi 7000 D.
     
    Alfonso Carissimi war Sandros Vater.

3
    Sandros Schlafgemach lag gleich neben seinem Amtsraum, ein Luxus, der nur wenigen Bewohnern des Vatikans vergönnt war. Als Sandro eintrat, flackerte bereits ein Feuer im Kamin, ein Brett mit Brot und Käse stand auf dem Tisch, das Bett war aufgeschlagen und das Nachtgewand hing an einem Haken neben dem Baldachin. Was wie das Werk einer liebenden Gattin aussah, war in Wirklichkeit die Tat eines ausgesprochen eifrigen Dieners, der …
    »Hörte ich doch ein Geräusch«, sagte Angelo. »Guten Abend, Exzellenz. Wie ist das Befinden?«

    »Guten Abend, danke gut.« In Angelos Gegenwart wurde Sandro ganz von selbst förmlich. Das war einerseits eine unabsichtliche Anpassung an Angelos Vorliebe für zeremonielles Getue. So hatte der junge Diener beispielsweise herausgefunden, dass Visitatoren die Anrede »Exzellenz« zusteht – was sogar dem Protokollmeister des Vatikans entgangen war. Man tat Angelo also einen Gefallen, wenn man die Aura eines höheren Wesens annahm. Andererseits wollte Sandro die Distanz zu Angelo auch selbst. Das war eigentlich nicht typisch für ihn, denn Angelo war genau einer der Menschen, denen Sandro normalerweise bevorzugte Aufmerksamkeit und Zuwendung schenkte. Angelo stammte aus armem Elternhaus, um dessen Unterstützung er bemüht war; er strengte sich an und war höflich gegen jedermann. Es war nichts – außer sein gelegentlicher Übereifer – gegen ihn einzuwenden. Vielleicht lag es einfach daran, dass es Sandro unangenehm war, von einem Gleichaltrigen bedient zu werden.
    »Ich habe ein Mahl bereitgestellt. Ist das Zimmer warm genug? Ich lege etwas Holz nach.«
    Sandro ging direkt zu seinem Bett und setzte sich. »Ich bin nicht hungrig«, sagte er müde.
    »Ihr esst zu wenig.«
    »Ja, mag sein.« Er ließ einen Moment verstreichen. Dann fragte er: »Ist noch Wein da?«
    Es war eine rhetorische Frage. Wein war immer da.
    Angelo kniete vor dem Feuer und tat

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