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Die Hure von Rom - Walz, E: Hure von Rom

Titel: Die Hure von Rom - Walz, E: Hure von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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seiner beruflichen Existenz, auf die sich seine ganze Identität gründete, das, was ihn ausmachte.
    Plötzlich zitterten Forlis Hände, und der Tisch mit ihnen. Er hob den Tisch an und schleuderte ihn in eine Ecke, wo er zusammen mit der Schüssel zerbarst. Sandro wich unwillkürlich einen Schritt zurück.
    »Das ist alles Eure Schuld«, schrie Forli aus vollem Hals. »Wenn Ihr nicht gewesen wärt, Carissimi, Ihr mit Euren Heimlichkeiten, mit Eurem niederträchtigen, verräterischen Treiben hinter meinem Rücken …«
    Sandro war kurz versucht gewesen, aus der Zelle zu stürzen, denn vor Forlis hochrotem Kopf hatte er einen gehörigen Respekt. Doch angesichts solcher Anschuldigungen packte ihn eine unvernünftige Unbeugsamkeit.
    » Meine Heimlichkeiten? Mein Verrat? Wer hat sich denn von Massa einwickeln lassen?«
    »Ich war drauf und dran, ihm alles vor die Füße zu schmei ßen, aber dann hat er mir erzählt, was Ihr alles ohne mein Wissen unternommen habt …«
    »Ja, weil ich Euch nicht über den Weg traute. Denkt Ihr denn, ich habe nicht gemerkt, dass Ihr und Massa irgendetwas ausheckt?«
    »Ich habe nichts ausgeheckt.«

    »Nein, Ihr habt Euch nur zum Narren machen lassen, was zwar sympathischer, aber trotzdem wenig hilfreich ist.«
    Forli drückte seinen Zeigefinger auf Sandros Brust. »Carissimi, ich schwöre Euch, wenn Ihr nicht auf der Stelle aufhört, mich zu beleidigen …«
    »Dann was? Schlagt Ihr mich? Ist das alles, was Ihr könnt? Ich sage Euch etwas: Ihr habt Euch ganz allein diesen Mist eingebrockt, und Ihr könnt froh sein, wenn ich Euch da wieder heraushelfe. Und noch etwas: In Zukunft übernehme ich die Führung der Ermittlungen. Wenn Euch das nicht passt, wenn Euer verdammter männlicher Muskel- und Hauptmannsstolz Euch das verbietet, dann schert Euch weg und seht selber zu, wie …«
    Forlis Faust traf ihn am rechten Wangenknochen. Sandro flog ein Stück rückwärts durch die Luft und prallte auf dem Boden auf. Eine Handbreit weiter, und er wäre mit dem Kopf gegen die Wand geschlagen. Seine Wange war taub, aber er ahnte, in wenigen Augenblicken würde er sich wünschen, sie wäre taub geblieben.
    Forli stand über ihm, die Hände zu Fäusten geballt, die Arme vor der Brust erhoben, zitternd vor Kraft, zitternd vor Erregung, zitternd vor der Wahrheit, die er hatte anhören müssen.
    Seine Arme sanken langsam herab.
    »In Ordnung«, sagte Sandro und vergewisserte sich, dass sein Kinn noch dort war, wo es hingehörte. »Und jetzt besuchen wir die trauernde Familie Farnese.«
    Er lächelte, wenngleich das mit einer tauben Wange vielleicht blöd aussah, dann streckte er die Hand aus, ein Atemzug, zwei Atemzüge lang.
    Forli half ihm auf die Beine.

25
    Es war ein seltsames Gefühl, im Leben eines Menschen zu spionieren, den man kannte – und das man vielleicht schon bald auslöschen würde. Er war in Abwesenheit Carlottas geräuschlos in ihr Zimmer an der Piazza del Popolo eingebrochen und stellte sich jetzt vor, ihr eines Tages in diesem Zimmer das Leben zu nehmen, mit dieser Aussicht auf den Platz, auf die Kirchen, auf die Pinien des Monte Pincio. Er stellte sich einen warmen, aber regnerischen Tag vor und Tropfen, die unaufhörlich an die Scheiben klopften, und ihre Leiche, die auf dem Boden lag.
    Er beendete seine Tagträume und ging durch Carlottas Zimmer, tastete sich durch ihre Kleider, ihre Wäsche, ihr Bett und notierte sich Kleinigkeiten wie die Farbe ihrer Schminkutensilien. Kleine menschliche Marotten, die einem normalerweise verborgen bleiben, traten zutage, etwa die, nackt zu schlafen – denn er fand kein Nachtgewand.
    Wie sogar solche kleinen Gemeinsamkeiten verbinden, dachte er, der die gleiche Angewohnheit hatte.
    In der obersten Lade einer abgenutzten Kommode – der einzigen Kommode des Zimmers – fand er einen Rosenkranz und gleich daneben einen Brief. Am Verschluss des aus Buchenholz gefertigten Rosenkranzes bemerkte er das Monogramm SIP, dessen Bedeutung ihm verschlossen blieb. Der Brief, datiert auf einen Junitag vor sieben Jahren, war aufschlussreicher:
    Liebe Mama,
    hier ist etwas Seltsames geschehen. Einer der Nonnen, Schwester Angela, einer abweisenden, von den anderen wenig respektierten Person, ist die Heilige Muttergottes erschienen. Die Äbtissin befahl Schwester Angela, zu
schweigen, aber die Vision der Schwester hat sich jede Nacht wiederholt, und gestern hat eine weitere Nonne, die jüngste, Schwester Hortensia, die gleiche Erscheinung gehabt. Niemand

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