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Die Huren des Apothekers

Die Huren des Apothekers

Titel: Die Huren des Apothekers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Stöckler
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um eine
menschliche Hand mit kurzen Fingernägeln, die sogar einigermaßen
gepflegt aussahen. Ein Schauder rieselte ihren Rücken herunter. Die
Klaue war völlig ausgetrocknet. Dort, wo der Ellenbogen in der
Schüssel aufsetzte, ragte blanker Knochen heraus. Das Fleisch, was
wohl vorher daran gehangen hatte, umgab sie in Fetzen, teils schon in
dem großen Mörser mit dem Stößel zu Pulver zerrieben. So also
wurde die Mumie verarbeitet – gar kein großes Geheimnis dahinter.
Auf dem Tisch lagen weitere entbeinte Fleischstücke, trocken wie
Zunder, daneben der Schenkelknochen, den sie einst umhüllt hatten.
Von einem Brustkorb fehlte jeder Fitzel Bedeckung, nur das blanke
Gerippe ragte empor.
    In einem Fass neben dem Tisch sammelten sich
Knochen, größtenteils mit dem dabeiliegenden Hammer zerschlagen.
Was hatte Henslin gesagt? Die Knochen wurden gesengt und als
Knochenkohle gegen Durchfall gegeben. Übelkeit stieg in Luzia empor,
als sie daran dachte, wie oft ihre eigene Mutter ihr wohl
Menschenknochen gefüttert hatte.
    Mit morbider Faszination betrachtete Luzia die
grausigen Schaustücke auf dem Tisch, angefangen bei der Kollektion
verschieden großer Ausbeinmesser und Hämmer zum Zerschlagen der
Knochen, die Meißel zum Zerreißen der Gelenke, verschieden große
Mörser zum Zerstoßen zu Pulver, feine Waagen und Gewichte. Nicht
nur das Mumienfleisch wurde verarbeitet, es gab auch Rückstände
verschiedener Kräuter - Pfefferminze, Salbei, Baldrianwurzel - in
den Geräten, genauso die orientalischen Kostbarkeiten, nach denen
der gesamte Keller roch.
    Das Pulver aus der Mumie wurde also gestreckt mit
anderen Zutaten, von denen aber die meisten weder gefährlich noch
minderwertig wirkten. Tat sie dem Apotheker unrecht? Verkaufte er dem
Patienten lediglich das, was der auch verlangte: Mumia vera?
    Aber wie kam es denn dazu, dass sich die Substanz
von wenigen Pfund bis fast auf einen Zentner vermehrte? Das konnte
unmöglich mit rechten Dingen zugehen. Was sie hier sah, erklärte
das Phänomen nicht. So unappetitlich die Produkte auch waren, wenn
die Leute antediluvianische Pharaonen verzehren wollten, hatte
Henslin Nungässer alles Recht der Welt, sie ihnen gerieben zu
verkaufen.
    Wo hielt sich der Apotheker überhaupt auf? Sollte
er seine Angetraute ins Haupthaus begleiten? Nur eine Tür hatte
Luzia bisher nicht versucht, die letzte auf der Stirnseite des
Flures. Das Licht verlor seine Kraft und Luzia wusste, sie sollte es
eine Weile ruhen lassen, bevor sie es erneut benutzte. Also schob sie
die Phiole in ihre Umhüllung und verbarg sie unter ihrem Rock.
Steckte Henslin hinter dieser Tür? Besonders vorsichtig schlich sie
zu dem letzten Hindernis. Auch hier gab es ein Oberlicht, durch das
der Wind pfiff. Schon das allein zeigte Luzia, dass sie mehr hinter
dem stabilen Holz erwartete als ein einzelner Raum. Hatte man
absichtlich einen Durchbruch zum Hang geschaffen, damit es hier so
wehte? Aber weshalb nur?
    Behutsam drückte Luzia die Klinke
herunter. Welch Überraschung ,
spottete Luzia in Gedanken, auch hier war abgeschlossen. Und diesmal
bot das Schloss mehr als den üblichen Widerstand. Das
Apothekerehepaar hatte einen Batzen Geld ausgegeben, um genau diese
Tür gegen jede Art von Angriffen zu sichern. Es erforderte von Luzia
alles Fingerspitzengefühl und das Hantieren mit zwei verschiedenen
Dietrichen, um dieses komplizierte Schloss zu öffnen.
    Jetzt erwarte ich wenigstens einen
Staatsschatz , dachte sie bei sich und
schmunzelte. Gleich darauf verging ihr das Lachen, als ihr bewusst
wurde, dass sie vielleicht ein viel größeres Mysterium als das oben
verborgene Bordell erwartete, möglicherweise ein gefährliches
Geheimnis.
    ---
    Frank trabte vor der Schutzhütte hin und her wie
ein Bär mit einem Ring durch die Nase an seiner Kette. Dieser Idiot
Wendelin! Frank wusste schon vom ersten Blick, dass er sich auf
diesen Schwachsinnigen nicht verlassen konnte. Nicht nur, dass der
Herrgott ihm nicht mehr Verstand gegeben hatte als einem Mastschwein,
er benahm sich auch so. Wenn er trotzdem seine Pflicht erfüllte,
hätte Frank kein Wort über die Tischgewohnheiten des Henkersknechts
verloren, aber über ein Gelage am Henkerstisch vergaß dieser
Schlendrian jedes Mal seine Arbeit. Zum Sonnenuntergang sollte Frank
jeden Tag bei der Wache am Richtsberg abgelöst werden, doch niemals
kam Wendelin pünktlich. Mal schob die Wirtin ihm die Essensreste von
einem vorzeitig aufgebrochenen Händler zu, mal hielt ihn

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