Die Huren des Apothekers
stand auf und warf ihn hinter einen
Kasten, wobei ein feuchtes Klatschen ertönte.
Das Schreien der Frau wurde leiser, Pausen
entstanden, in denen Luzia den Laut vernehmen konnte, mit dem ihr
Blut auf die Planken schoss. Henslin kniete sich an den Rand des
Wasserlochs und wusch seine Hände und sein Gesicht, wobei er alle
Zeit der Welt zu haben schien.
Als alle Geräusche verstummt waren, nicht einmal
mehr das Blut in Luzias Ohren rauschte, richtete er sich wieder auf
und schnitt die Fesseln der Frau durch. Wie ein Sack fiel sie auf den
Boden. Luzia fühlte sich auf einmal so leicht, als ob sie
davonschweben wolle. Sie spürte nicht mehr das rissige Holz unter
ihren Füßen und Fünkchen erschienen vor ihren Augen. Endlich
konnte sie die Lider schließen und betete um eine Ohnmacht. Nein,
das Gefühl verflog, sie verlor nicht das Bewusstsein und behielt die
Kontrolle über ihren Körper. Als sie wieder hinschaute, zog Henslin
die Frau mit Hilfe des Jochs an der Kette empor, genau wie vorher die
Rothaarige. Auch diesmal fehlten die Hände. Geübt wie ein
Schlachter griff er durch den entsetzlichen Schnitt in den Leib und
zog die Gedärme heraus, um sie in bereitstehende Eimer fallen zu
lassen. Genau solche Eimer, wie sie die Knechte zum Füttern der
Schweine benutzten.
Mit einer letzten Anstrengung zog Henslin die
Leiche noch ein Stück höher, bugsierte sie über den Rand der
Brücke und ließ sie dann an der Kette tief ins Wasser versinken.
Erleichterung überkam Luzia, nicht mehr den Leichnam der Frau zu
sehen, deren Ermordung sie hatte miterleben müssen. Doch was sie
jetzt ohne das Hindernis auf der Brücke liegen sah, trug nicht zu
ihrer Beruhigung bei. Die beiden Hände der Frau schwammen in
Blutpfützen, direkt neben etwas Winzigem, das nichts anderes sein
konnte als die Händchen ihres Kindes.
Zwei dumpfe Schläge der Turmuhr zeigten eine
halbe Stunde nach Mitternacht an. Henslin trug die beiden Eimer mit
ihrem blutigen Inhalt zur Seite, dann barg er sorgfältig die beiden
Paare Hände auf einem Brett, das er in die Richtung des Abteils
trug, wo Luzia die Werkstatt für die Diebeshände entdeckt hatte.
Jetzt wäre die Gelegenheit, endlich diesem Kasten zu entfliehen!
Allein der Gedanke reichte nicht, Luzia anzuspornen. Sie konnte ihre
Muskeln nicht dazu zwingen, die Bewegungen auszuführen, die für
eine Flucht notwendig waren. Ihre Füße fühlten sich an wie Blei,
die Hände erwachten viel zu langsam mit einem Kribbeln aus ihrer
Taubheit. Und das war auch gut so, denn Henslin hatte sich nicht weit
entfernt. Er fuhrwerkte an dem Ende des Teiches herum, wo Luzia den
Abfluss vermutete. Knirschen und das Aufeinanderschaben von Holz
konnte sie hören, dann kam er wieder. Erneut wusch er sich die Hände
ausgiebig. Währenddessen schwappten kleine Wellen über die Brücke
und sogen das Blut mit sich. Zuerst vermeinte Luzia sich zu irren,
doch dann erkannte sie immer deutlicher: Die Brücke wurde von Wasser
überschwemmt. Senkte er das Holz herunter? Nein, das Wasser stieg
an. In der Zeit, die Henslin brauchte, um sich das Blut von den
Händen zu spülen, hob sich der Wasserspiegel schon um so viele
Zoll, dass die Brücke völlig unter Wasser lag. Er stand auf, blies
die Öllampe neben der Mumie aus und ging.
Mehrere Minuten lauschte Luzia seinen sich
entfernenden Schritten. Und wenn sie nun nie wieder aus diesem Kasten
herauskam? Wenn er sich nicht mehr öffnen ließ? Immer mehr
steigerte sie sich in Angst hinein, bis sie die Tür schlagen hörte.
Das gab ihr das Signal, es trotzdem noch einmal mit dem Deckel zu
versuchen. So leicht ging es nicht. Als sie endlich ihre zitternden
Hände wieder beherrschte, drückte sie mit aller Kraft, aber das
Holz klemmte. Erst mit übermäßiger Anstrengung und unter
Auferbietung ihres gesamten Körpergewichts gab die Klappe nach und
sie stolperte in den Raum. Sie stützte sich mit den Händen am Rand
des Tisches ab, auf dem die Mumie lag. Fremdländische Düfte zogen
ihr in die Nase, die ihr diesmal widerlich vorkamen und sie zum
Erbrechen reizten. Nein, sie durfte sich nicht so gehen lassen. Jetzt
musste sie sich in Sicherheit bringen, streng darauf achten, dass
niemand auch nur ahnte, wo sie diese Nacht gesteckt hatte. Ohne ihren
Willen wanderte ihr Blick von der Mumie vor ihre Nase zu der
mittlerweile völlig unter Wasser verschwundenen Brücke. Keine Spur
gab es mehr von dem verübten Verbrechen. Welcher Büttel würde ihr
Glauben schenken? Wenn sie den Apotheker
Weitere Kostenlose Bücher