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Die Huren des Apothekers

Die Huren des Apothekers

Titel: Die Huren des Apothekers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Stöckler
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Verruchtheit seines
Vaters zurück? Wie, in aller Heiligen Namen, kam ein Mensch nur auf
die Idee, sich so zu versündigen?
    Tränen schossen in Luzias Augen und sie
unterdrückte ein lautes Aufschluchzen. Mühsam wie eine Greisin
stemmte sie sich an der Wand empor und kroch mehr, als dass sie ging,
die Treppenstufen nach oben.

Kapitel 6 –
Vergeltung
    Die Turmuhr schlug eine Stunde nach Mitternacht
und Elße konnte den Mann nicht mehr zurückhalten. Das wollte sie
auch gar nicht, denn obwohl ihre Aufregung sich gelegt hatte, brannte
sie darauf, ihrer Freundin zu helfen. Wie ein Ochse im Joch stemmte
er sich gegen die Steigung des Wegs und zog sie unaufhaltsam zum
Anbau. Elße widerstrebte nicht, dankte im Stillen für die starke
Begleitung. Auch so fühlte sie ihre Knochen zittern und weich werden
wie Sülze, wenn sie daran dachte, von den Knechten überrascht zu
werden, dass sie in das Allerheiligste der Herrin einbrachen.
    Wie ein aufgerissenes Maul empfing sie die im
Dunkeln liegende Tür. Jetzt hielt Elße den Fremden doch auf.
    »Halte ein! Die Tür ist verschlossen.«
    »Die krieg i scho uff«, antwortete er und Elße
brauchte einen Augenblick, um seine Worte in einen verständlichen
Satz zu übersetzen.
    »Nein, bitte, der Lärm würde die Knechte
herbeirufen! Wir müssen uns etwas anderes überlegen.« Während sie
den Mann am Ärmel zurückzog, zermarterte sie sich ihr Hirn, welchen
anderen Weg es wohl hinein gab. »Vielleicht … Wir sollten warten,
bis jemand herauskommt.«
    Und dann? Ihn zwingen, den Weg freizugeben? Aber
wer auch immer sich dort aufhielt, er würde Elße sofort erkennen
und anzeigen. Mechthild müsste sie hinauswerfen und … Elße brach
in Tränen aus. Haltlos sank sie auf den Stufen zusammen. »Es ist
sinnlos«, schluchzte sie, »so sinnlos.«
    Die große, warme Hand des Fremden hätte ihrer
Schulter so wohlgetan, aber dieses Mal scherte er sich nicht um Elßes
Kummer, sondern untersuchte die Tür, wozu er völlig im Schatten
verschwand. Elße beugte sich tief zwischen ihre Knie und spürte,
wie ihre Tränen einen großen, feuchten Fleck auf ihrem Hemd
hinterließen. Sanfte Stöße aus ihrem Leib lenkten sie ab. Da
meldete sich jemand mit der Botschaft, dass sie nur noch für ihn
lebte. Was tat sie eigentlich hier? Sie sollte in ihrem Bett liegen,
Erholung suchen, um ihr hartes Tagwerk am nächsten Tag zu
bewältigen, und hoffen, dass Mechthild nichts von ihrem Verrat
ahnte. Nie wieder sollte sie ein Wort verlieren von der Rothaarigen
oder von Jonata. Schon wieder schüttelte ein Schluchzen ihren
Rücken.
    Ein Rumsen an der Tür schreckte sie auf. Sie sah
hoch und sah den Mann, wie er Anlauf nahm und sich ein zweites Mal
gegen die Tür warf. Elße sprang hoch und fing ihn auf, als er
taumelnd zurückprallte.
    »Bitte nicht, aufhören!«, rief sie ihm zu und
schaute sich gleich darauf um, ob niemand sie gehört habe. »Es hat
keinen Zweck. Die Herrin sagte, ein Räubertrupp mit Belagerungsgerät
käme nicht hinein!«
    Die starken Muskeln unter ihren Händen zitterten,
ob vor Wut oder Anstrengung, mochte sie nicht entscheiden. Nach einer
Weile spürte sie, wie seine Schultern herabsanken.
    »Es ist wahr«, sagte er. »Der Anlauf geht die
Stufen hinauf, wodurch der Schwung genommen wird. Vielleicht hätte
die Armee des Kaisers Erfolg, aber nicht ich armer Tropf. Dieses
Gebäude ist für einen Krieg gebaut.«
    »Man fürchtet Räuber«, sprach Elße mehr zu
sich selbst als zu ihm, gleich darauf lachte sie ohne Fröhlichkeit
auf. Als ob darinnen nicht Schlimmeres vor sich ginge, als eine
Räuberbande vollbrachte. Wie einen alten Mann stützte sie ihren
Beschützer, dass auch er auf der Treppe Platz nahm. Er barg sein
Gesicht in den Händen und seine Schultern bebten wie unter
Schluchzen.
    »Schon vor Sonnenaufgang dreht Frau Mechthild
ihre Runde«, wusste Elße. »Da könntest du sie fragen …«
    Auch er lachte auf, genauso freudlos. »Wird sie
sich allein hier herausbegeben? Ohne ihre Knechte? Wer solche Türen
baut, begibt sich nicht in Gefahr.«
    Elße konnte nur zustimmen. Frau
Mechthild würde, wenn sie überhaupt so früh schon den Anbau
besuchte, die Tür benutzen, die in das Haupthaus mündete. Und auch
diese, wenn der Fremde überhaupt ins Haus eindringen konnte, würde
er nicht aufbrechen können, da der Korridor um eine Kurve führte,
die zu eng für genügenden Anlauf war. Schweigend saßen sie
nebeneinander, bis Elße die Kälte der Steinstufen durch den
geborgten Mantel

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