Die Huren des Apothekers
anzeigte, würde es so große
Kreise ziehen, dass er problemlos die beiden frischen Leichen zur
Seite schaffen konnte, wo niemand sie fand. Die ausgetrockneten
Mumien – jeder wusste doch, dass Henslin sie aus Ägypten bezog.
Wer wollte da Verdacht schöpfen? Nein, je länger sie darüber
nachdachte: Sie durfte sich nicht an die Gerichtsbarkeit wenden.
Hatte sie denn nicht schon genügend Erfahrungen, dass sie darauf
niemals wieder baute? Um diesem Treiben ein Ende zu bereiten, musste
mehr geschehen als ein hysterischer Hilfeschrei eines Weibes zu einem
Richter.
Luzia straffte ihre Schultern und ließ ihren
Blick abschließend noch einmal über den Tatort wandern, um sich
alles einzuprägen. Sie musste den Mörder stoppen, sonst würden
immer mehr und mehr unschuldige Frauen seiner Gier geopfert, würde
er sich weiter an den Herzen ungeborener Kinder nähren.
Nicht weit von der Mumie lagen die beiden
Medaillons, eines vom Pharao, das andere von der Rothaarigen.
Schachteln dahinter sahen aus, als ob auch dort Wertvolles enthalten
sei, aber dafür fehlte Luzia jetzt der Sinn. Einem Impuls gehorchend
verschwanden die beiden Schmuckstücke in Luzias Rocktasche. Wenn
Mechthild sie vermisste, sollte sie den Knecht beschuldigen. Denn
Luzia würde keine Spuren hinterlassen.
Die Tür des Mumienkastens stand noch offen.
Sorgfältig schob sie den Deckel wieder auf ihr Versteck, wobei sie
sich anspannen musste. Gleich drückte wieder die Blase und erinnerte
sie daran, dass sie seit Stunden dringend Wasser lassen musste. Ihr
Blick schweifte über den düsteren Raum, bis sie sich entschied.
Über dem tiefliegenden Abfluss des Teiches hockte sie sich hin. Das
Bedürfnis war so groß, dass es die ersten Sekunden schmerzte, als
sie die Blase entspannte, bis das Wasser sich in lautem Strahl den
Weg bahnte. Erleichtert richtete sie wieder ihre Kleider und
betrachtete dabei den Mechanismus, mit dem der Apotheker den Teich
aufgestaut hatte. Eine schlichte Schleuse. Er brauchte lediglich ein
Brett einsetzen oder anheben, um den Wasserstand zu regulieren.
Morgen würde er es entfernen und keinen einzigen verräterischen
Blutstropfen zurücklassen.
Den gleichen Weg, den vor ihr Henslin genommen
hatte, schlug sie ein, um aus diesem Labyrinth zu entfliehen. Dabei
streifte ihr Blick den blutigen Klumpen, den Rest dessen, was Henslin
dem Bauch der Schwangeren entrissen hatte. Saurer Mageninhalt stieg
ihre Brust empor und sie schluckte krampfhaft, um sich nicht zu
übergeben. Der kaum noch zu erkennende Körper des Kindes lag in
einem eisernen Kessel, unter dem die Asche noch glomm. Darüber in
einem Regal standen Salbentöpfe. Nicht einmal der Schluss, den sie
daraus zog, erschreckte sie noch: Mechthild kochte aus ungetauften
Säuglingen Hexensalbe.
Luzia wandte ihre Schritte zur Tür und öffnete
problemlos mit ihren Dietrichen das Schloss, um es hinter sich
sorgfältig wieder zu verschließen.
Der scharfe Wind im Treppenhaus ließ ihren
durchgeschwitzten Körper frieren, als ob sie nackt durch den
Winterwald liefe. Sie lehnte sich gegen die Wand und zog ihr Kleid
dicht um sich herum. Die wenigen Schritte erschöpften sie so sehr,
dass ihr schwindelig wurde. Über das Rauschen in ihren Ohren
versuchte sie Geräusche aus dem Haus zu erfassen, aber sie hörte
nichts, nur das Pfeifen des Windes, dumpf wie direkt unterhalb der
mächtigen Flügel einer Windmühle. Hier auf dieser Stufe konnte sie
sich aufhalten, bis ihr Herz nicht mehr so wummerte, ihre Gedärme
nicht mehr rebellierten und ihre Finger nicht mehr zitterten. Im
Nachhinein wunderte sie sich, dass sie trotz ihrer Aufregung das
schwierige Schloss so geschwind geöffnet hatte. Wenn sie jemanden
kommen hörte, konnte sie noch immer hinter den Kisten unter der
Treppe verschwinden.
Auf einmal trugen ihre Beine sie nicht mehr und
sie sank schwer auf die Treppenstufe nieder. Was hatte sie da gerade
erlebt? Nur einen Alptraum, war sie in dem elenden Mumienkasten
eingeschlafen und hatte sich das alles eingebildet? Ihre Finger
tasteten nach dem goldenen Amulett und dem Bernstein. Nein, auf gar
keinen Fall. Nur gerüchteweise hatte sie von so scheußlichen
Verbrechen gehört, und dasjenige des verrufenen Peter Nirsch gehörte
dazu.
Muttermale vererbten sich, die Form
der Nase und krumme Beine, aber der Geschmack an Menschenfleisch?
Hatte tatsächlich der teuflische Vater solche Lasterhaftigkeit in den Sohn gesetzt - oder griff dieser
nach einer unentschuldbaren Missetat auf die
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