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Die Huren des Apothekers

Die Huren des Apothekers

Titel: Die Huren des Apothekers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Stöckler
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ihm dabei halfen, die
Frauenleichen auf die Ladefläche zu legen. Auch schob er sie
beiseite, als sie die Handgriffe fassen wollten. Ganz alleine
bugsierte er den Karren zum Gesindehaus.
    Elße öffnete die Tür. Nebeneinander legte er
die Leiber auf den Tisch.
    Frau Luzia trat vor ihn und führte ihn aus dem
Haus. »Jetzt werden wir uns mit den beiden befassen. Du solltest ein
Grab ausheben. Lasse uns die beiden herrichten. Dann sorgen wir für
eine anständige Bestattung.«
    Willenlos ließ er sich vor die Tür bringen, die
Luzia vor seiner Nase schloss. Sie drehte sich zu Elße. »Er muss
beschäftigt werden, seine Körperkraft sinnvoll einsetzen. Und wir
haben auch zu tun.«
    Bestätigend nickte Elße. Ja, das war ihre
Pflicht. Sie musste sich um Jonata kümmern und auch um die Geliebte
des Henkers. Frau Luzia bückte sich über eine der Truhen und suchte
zwei der einfachen Kleider heraus, von denen auch Elße sich schon
bedient hatte. Sie deutete auf ein hellblaues. »Das hätte Jonata
gefallen.«
    ---
    Frank fühlte sich wie eine Holzpuppe. Genauso
schob die Edelfrau ihn aus dem Haus, stellte ihn vor die Tür wie
einen Eimer. Genauso leer kam ihm sein Kopf vor. Nur ein einziger
Satz kreiste darin, er wiederholte ihn wieder und immer wieder:
Bärbel ist tot. Dabei hatte er gedacht, nach der schockierenden
Erzählung der Gelehrtengattin abgeschlossen zu haben. Als er sich
auf den Weg in den Mördertempel des Apothekers gemacht hatte, wollte
er eigentlich nur ein anständiges Grab für die Liebe seines Lebens.
Rache, ja, er wäre nicht davor zurückgeschreckt. Aber als er dann
tatsächlich die Worte der Dame bestätigt fand, als sein Ein und
Alles an Fleischerhaken von der Decke hing, da war etwas in ihm
zerbrochen. Kein Laut mehr war aus seinem Mund gekommen, keine Träne
aus den Augen. Wie eine besonders große Frucht hatte er sie
heruntergehoben, sich über die Schulter gelegt und erst, als er
schon halb vorbei war, auch noch die frischeste Leiche mitgenommen,
die noch auf den Planken der Brücke abtropfte. Erschreckend leicht
waren die beiden gewesen, zusammen nicht einmal das Gewicht von
einer. Auf den letzten Stufen vor dem Ausgang hatte sein Geist
begonnen zu schweben. Er hatte seine Beine nicht mehr gefühlt, sie
bewegten sich automatisch wie das Räderwerk einer Kirchturmuhr. Sein
Körper schwankte unter der Last, er war gegen den Türrahmen
gefallen und mit letzter Kraft die Eingangsstufen heruntergestolpert,
bis er sich nicht mehr hatte halten können.
    Elße, die wunderschöne, anmutige Elße hatte
seinen Kopf an ihren Busen gepresst und ihn liebkost. Welches Bild
des Elends musste er darstellen, wenn er solche Reaktion in einer
anständigen Frau hervorrief! Aufgewacht war er erst, als die beiden
Frauen ihn mit dem Karren abgeholt hatten. Und jetzt lag seine
einzige Liebe auf dem Tisch zusammen mit Elßes Freundin. Er konnte
sie den beiden anvertrauen. Frauen vermochten so etwas. Wenn Männer
mit tränenüberströmten Gesichtern ihre eigenen Finger kneteten,
kümmerten sich Frauen um die verstorbenen Hüllen ihrer Angehörigen,
wuschen sie, richteten sie her, dass niemand mehr ihre grässlichen
Wunden sah, als ob sie noch lebten, gerade nur eingeschlafen wären.
    Genau so stellte Frank sich das Gesicht seiner
Bärbel vor, wie sie unter dem alten Birnbaum eingeschlafen war, die
Sonne malte helle Tüpfel über ihre goldenen Sommersprossen. Eine
Grille zirpte auf der Wiese in der Mittagshitze und Franks Herz quoll
über vor Liebe zu seinem Mädchen. Federleicht schwebte ein
Schmetterling herbei und setzte sich auf Bärbels Hand, die neben
ihrem Körper lag, im warmen Sonnenschein.
    Bärbels Hände hatte er nicht gefunden. Nicht
ihre Hände, nicht ihr Herz, ihre Lungen, ihre Eingeweide. Stimmte
es, dass die Knechte sie an die Schweine verfüttert hatten? Und ihr
gemeinsames Kind, das Bärbel die einsamen Monate auf der Flucht
unter ihrem Herzen getragen hatte, beschützt vor der Grausamkeit der
Welt, vor allem, was die viehischen Knechte des Apothekers ihr
angetan hatten?
    Verschwommen erinnerte sich Frank an den
Eisenkessel, der über der Glut schmorte, den unfassbaren Inhalt, der
hauptsächlich aus Fett bestand. Auf einmal fühlte er wieder etwas.
Zorn biss in sein Herz. Er öffnete die Augen und wurde sich bewusst,
wo er sich befand. Das Gesindehaus, in dem Elße und Frau Luzia die
Leichen der zwei Frauen herrichteten. Direkt neben ihm lehnten
Schaufel und Spaten an der Wand, die er aus dem Schuppen

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