Die Huren des Apothekers
…«, formte ihr Mund. Sie schluckte. »Danke«, flüsterte sie. Er reichte ihr eine Hand, mit deren Hilfe sie aufstand. Jetzt erkannte sie, wie groß er war, ein wahrer Hüne. Seine andere Hand auf ihrem bloßen Rücken hielt sie aufrecht, weil sie schwankte, ließ sie erst los, als sie ihn mit einem Nicken ansah. Mitgefühl stand in seinen Augen, nicht mehr die Kälte, die Elße zuerst so erschreckt hatte. Er trat um sie herum und betätigte den Schlegel der Pumpe, Wasser floss aus dem Hahn und verteilte sich über der Plattform. Ein eisiges Rinnsal ergriff Elßes bloße Füße und weckte sie aus ihrem traumähnlichen Zustand. Sie hockte sich vor den Wasserstrahl und leitete ihn auf ihren Körper um, rieb mit den Händen über ihre Brüste, ihren Bauch, ihren Rücken, bis sie keine Spur Blut mehr sehen konnte. Als sie sich aufrichtete, ließ sie noch einmal Wasser über ihre Beine fließen, dann trat sie zurück.
Unermüdlich hatte der Mann gepumpt, jetzt stand er mit hängenden Armen vor ihr, seinen Blick auf ihr Gesicht gerichtet. Welcher Mann sieht einer Nackten nicht auf den Leib, fragte Elße sich kurz. Ein seltsamer Gedanke, denn viel absonderlicher war doch die Frage, welcher Mann einem anderen die Kehle durchschnitt und sich hinterher sorgte, dass eine fremde Frau wieder sauber wurde.
»Meine Kleider«, sagte Elße leise und deutete auf den Schuppen.
Er trat ihr aus dem Weg und wies einladend hinter sich. Zuerst langsam, Schritt für Schritt, dann fast rennend lief Elße an ihm vorbei, bis sie hinter der Ecke des Schuppens stand und ihn nicht mehr sah. Mit fliegenden Fingern streifte sie das Unterkleid über, steckte ihre Arme in die Ärmel des Kleides und riss es so heftig über den Kopf, dass sie die Nähte knacken hörte. In sich spürte sie eine Leere, die sie schaudern ließ. Genauso hatte sie sich gefühlt, nachdem der Marodeur von ihr abgelassen hatte. Nur damals waren Wellen des Schmerzes durch ihren Körper getobt, und das Blut, das sie bedeckt hatte, war ihr eigenes gewesen.
Es ist dir nichts passiert, er hat dir nichts getan, sagte sie sich immer und immer wieder. Mit vor den Mund gepresster Hand stand sie da und hechelte. Ein Tropfen löste sich aus ihrem nassen Haar, kroch eisig unter das Kleid den Rücken herunter. Das weckte sie, sie drehte sich herum und trat vor den Schuppen. Noch immer stand der Mann dort und sah zu ihr hin. Zögernd ging sie näher.
»Ich … muss mich bedanken …« Ihr Blick zuckte zu dem reglosen Körper des Knechtes und auf einmal fühlte sie sich hellwach. Sie blickte zu dem Mann. »Wir müssen ihn fortschaffen. Wenn ihn jemand findet …«
Ein beruhigendes Lächeln trat auf sein Gesicht. »Das übernehme ich schon. Wer bist du?«
»Elße.« Sie hob die Hand, als er antworten wollte. »Nein, sage mir nicht, wie du heißt. Wenn mich jemand fragt, werde ich es nicht verraten können. Du hast mich gerettet, und dafür danke ich dir, aber niemand sonst könnte verstehen, was hier geschehen ist.«
Er drehte sich um und sah zu Endres. »Du hast recht. Keine Bange, ich werde mich darum kümmern. Niemand wird wissen, wohin er verschwindet. Darf ich morgen um die gleiche Zeit zu dir kommen, dich etwas fragen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, das Haus wird abgeschlossen. Nur heute bleibt das Portal offen, weil die Herrschaften Gäste bewirten. Morgen werde ich nicht herauskönnen.«
»Dann muss ich dich jetzt fragen. Ich suche eine rothaarige Frau. Sie war hier, das weiß ich, aber man sagte mir, sie sei fortgelaufen. Kannst du mir helfen, sie zu finden? Um den Hals trägt sie ein Amulett, einen Bernstein mit einer Ameise darinnen und …« Seine Stimme wurde so leise, dass Elße kaum noch verstand, was er sagte. »Ich liebe sie.«
»Bärbel«, entfuhr es ihr. »Ja, ich erinnere mich. Ihr Amulett bestaunten alle, aber sie verpflichtete uns zum Schweigen, wir durften es nicht der Herrin sagen. Die Wehen begannen und sie schrie vor Schmerzen. Die Herrin ließ sie zum Kreißen in den Anbau bringen, damit ihr Lärm nicht die Nachbarn belästige. Wir hörten dann tatsächlich nichts mehr von ihr. Plötzlich, mitten in der Nacht, knallten Türen und durch das Fenster sahen wir sie davonrennen, die Knechte dicht hinter ihr. Ein Schrei tönte durch die Nacht, aber da konnte ich sie vom Fenster im Schlafsaal schon nicht mehr sehen. Der Nachbar war wach geworden, ich sah, wie zwei der Knechte mit ihm redeten. Dann hörten wir die Schritte der Herrin auf dem Flur, alle
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