Die Huren des Apothekers
zeigen.«
»Deine Worte bestätigen mir, dass du nichts von dem begriffen hast, was ich tue.« Das war die Stimme seiner Frau. Hinter ihrem Flüstern lauerte ein Kreischen, Frau Mechthild würde sich nicht mehr lange beherrschen können. »Es geht mir bei Gott nicht um Spenden! Du weißt gar nicht, wer unser neuer Nachbar ist.«
»Sicher weiß ich das. Ein Gelehrter, um dessen Dienst sich die kirchlichen und weltlichen Fürsten reißen. Angeblich. Aber solch einen überwichtigen Eindruck macht er mir nicht. Meine Entdeckung wäre den Fürsten wertvoller!«
»Genau das ist es! Du könntest Weltgeschichte schreiben, aber niemand hört auf dein Wort, weil du nur ein kleiner Apotheke r bist, der nicht einmal versteht, den Leibarzt des Landgrafen aus seiner Gunst zu verdrängen. So bescheiden unser Nachbar auch auftritt, ihm gehört das Ohr der Fürsten. Seine Horoskope bestimmen Politik und Leben der Hohen. Beeindrucke ihn mit deiner Kunst so sehr, dass er dem Landgrafen von dir berichtet!«
Der Apotheker schwieg eine Weile, dann brummte er. »Wenn man es so sieht … Du magst recht haben. Er könnte mich vor den Landgrafen bringen.«
»Stelle dir vor, man bittet uns zu den Gesellschaften im Schloss, wir werden den höchsten Kreisen vorgestellt, Bischöfen, Kardinälen, dem Kaiser …« Die Apothekerin seufzte.
»Nun, dann kümmere dich um die Gemahlin des Gelehrten! Ein schnuckeliges Ding. Wie man mit Schwangeren umgeht, dürftest du doch wohl wissen!«
Ein Zischen ertönte. »Lass deine Finger von ihr!«, rief Mechthild aus. Ihr Mann kicherte, ein Geräusch, bei dem es Elße kalt den Rücken herunterlief.
Schritte tappten, die Tür ging wieder auf und das Licht aus dem Speisesaal schien so hell herein, dass Elße hinter ihrem Vorhang es sah. Nachdem die Tür wieder geschlossen war, wartete sie noch einige Augenblicke, bevor sie vorsichtig einen Zipfel zur Seite schob. Nein, niemand befand sich mehr in der Halle. So schnell sie konnte, schlurfte sie, um nur kein unnötiges Geräusch zu machen, zur Haustür.
Elße schaute sich mehrfach um, ob ihr auch niemand folgte, dann huschte sie hinaus. Einen Augenblick blieb sie stehen, erlaubte ihrem aufgeregten Herzen, sich etwas zu beruhigen. Auch das Kind in ihrem Leib meldete sich, trat und boxte. Elße legte ihre Hand auf den Bauch und summte leise ein Wiegenlied, bevor sie weiterging. Immer wieder sah sie hinter sich, bis sie den Brunnen erreicht hatte. Welch ein Glück! Einer der Eimer stand unter dem Hahn, sodass sie keinen aus dem Schuppen holen musste. Sogleich ergriff sie den Schlegel und pumpte. Das Quietschen dröhnte laut in ihren Ohren, schallte durch den ganzen Wald. Nur gut, dass Mechthild die Knechte in den Anbau verbannt hatte, wo sie beim Würfeln so heftig fluchen durften, dass sie mit Sicherheit keinen anderen Laut mehr vernahmen.
Es plätscherte, bis der Eimer voll war und Elße ihn vom Podest hob. Dort, hinter dem Schuppen, stand ein Busch dicht an der Wand, sie konnte sich dahinter verstecken. Mit vor Angst pochendem Herzen streifte sie die Kleider ab und tauchte den mitgebrachten Lappen ein. Das Wasser war eisig und als es über ihren Körper rann, zitterte sie vor Kälte. Trotzdem genoss sie es, Schweiß und Schmutz der letzten Tage abzuspülen. Sie fühlte sich schmutzig, als ob noch immer die Finger des Marodeurs auf ihr klebten. Ihre Mutter hatte sie getröstet, ihr immer wieder versichert, dass sie an nichts die Schuld trug, dass sie weiterhin geliebt wurde und daheim geborgen war. Doch dann der demütigende Hinauswurf aus ihrem Elternhaus durch den Vetter, die vergebliche Suche nach einem Obdach, bis sie endlich diesen Fleck erreicht hatte, nur um hier noch mehr erniedrigt zu werden, um behandelt zu werden wie ein schmutziges Tier … Elße hielt inne, um ihre Tränen abzuwaschen. Nur noch wenige Tage, drei Wochen höchstens, dann würde sie ihr Kind in den Armen halten. Selbst Frau Mechthild gönnte den Wöchnerinnen einen Tag Ruhe, bevor sie mit zuerst leichter Hausarbeit wieder beginnen mussten. Eine Woche lang, bis sie mit dem Säugling fortgeschickt wurden – und was dann?
Darüber würde Elße nachdenken, wenn es soweit war. Energisch schob sie den Gedanken von sich. Es hatte keinen Sinn, sich darüber den Kopf zu zermartern. Das Armenhaus stand als allerletzte Lösung offen, doch etwas Besseres fand sich für fleißige Hände überall. Sie würde sich zu den anderen Arbeitssuchenden auf den Markt stellen und warten, bis jemand ihr
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