Die Huren des Apothekers
der Leichenwagen. Die Hausherrin hatte ihm einen Platz zugewiesen, an dem er das Grab ausheben sollte, ein wunderschönes Stück Wiese am Rande des Buchenhains, wo die Sonne das Gras wärmte, das über Bärbels Grab wachsen würde. Elße hatte versprochen, Margeriten darauf zu pflanzen, die jedes Jahr ihre Blüten über ihr neigen würden. Oh ja, das würde ihr gefallen.
Bärbel würde nie gestatten, dass ihr Ungeborenes dem Apotheker diente, Hexensalbe zu bereiten, um alle Teufel aus der Hölle zu beschwören und seinen Mitmenschen Pest und Pocken auf den Hals zu wünschen. Wenn das geschah, würde sie auch unter diesem wunderbaren Stückchen Land keine Ruhe finden. Das musste Frank verhindern.
Er füllte seine Lungen bis zum Platzen mit der kalten Nachtluft, spannte alle Muskeln und zog los. Sterne erschienen vor seinen Augen, er sah kaum den Weg unter seinen Füßen, aber das machte nichts, denn er wusste ja, wohin er sich wenden musste. Wie im Flug ließ er den Wald hinter sich und trat auf die ersten Stufen des Anbaus. Die Tür stand noch immer sperrangelweit offen, wie er sie hinterlassen hatte. Mit wenigen Sprüngen hüpfte er über die Treppen, kam im Gewölbe hart auf und sprintete ohne Rücksicht auf Hindernisse durch das Labyrinth von Stellwänden. Manche riss er einfach um, über andere setzte er hinweg, bis er das hintere Ende der Höhle erreicht hatte. Hier brannte eine Unschlittkerze, beleuchtete einen Sessel und Bücher, ohne Zweifel Zauberbücher. Frank öffnete eines, aus dem ihm eine obszöne Zeichnung entgegensprang: ein Wesen, halb barbusiges Weib, halb Pflanze – die Wurzel der Mandragora. Er riss die Seite heraus, knüllte sie zusammen und warf sie auf den Boden, genau wie die nächste und die übernächste. Er arbeitete sich in eine wahre Berserkerwut hinein, bis sich vor ihm ein kniehoher Berg aus Papier und Pergament häufte. Den Tisch schob er halb darüber, den Sessel kippte er dagegen, dann beförderte ein gezielter Tritt die Kerze mitten in das Gewühl. Sofort stiegen Rauch und Flämmchen auf.
Frank wanderte weiter ins Mumienlager. Auch hier fand er ein Buch und eine Kerze, die eine Truhe voll Lumpen entzündete. Mumienbinden loderten auf wie Zunder und steckten die aufeinandergehäuften Mumien in Brand. Ein Fidibus aus Papier genügte, die nebeneinander in Kästen gelagerten Diebeshände ihrer Bestimmung zuzuführen. Für die Brücke gab er sich besondere Mühe. Mit mehreren Schiebern wurde das Wasser am Ablaufen gehindert. Er entfernte sie alle, bis der Spiegel mannshoch sank. Aus der verbliebenen Pfütze glotzten ihn hohläugige Totenköpfe an, die Überbleibsel von mindestens zehn Menschen. Auf der höhergelegenen Seite ergoss sich jetzt ein Wasserfall darüber und hüllte alles in gnädigen Nebel. Mithilfe eines weggeworfenen Rockes, der vielleicht Jonata oder sogar Bärbel gehört hatte, zog er den eisernen Topf vom Feuer, schleifte ihn zu den Planken und kippte ihn um. Eine breiige Masse ergoss sich daraus, am Boden klebten weiche Brocken, vielleicht zerkochte Säuglingsknochen. Auch hier half zusammengedrehtes Papier und eine Stichflamme schoss empor. Das Pult, über dem der Apotheker sein Weib genommen hatte, polterte in die Kohlen, die vorher den Topf erhitzt hatten. Fetzen von dem Rock sorgten dafür, dass es schneller brannte. Ein Gefäß hinter einer Trennwand zerbarst in der Hitze und sprühte einen goldenen Regen aus Funken über alles in der Nähe, woraufhin die feurige Glut schnell wachsende Nester bildete. Schon züngelte es an dem Mumienkasten, dessen ausgetrocknetes Holz den Kuss der Lohe rasend weitergab.
Als Frank sich umdrehte, fand er keine Ecke mehr, in der es nicht loderte oder wenigstens qualmte. Grimmig lächelnd nickte er. Wessen Einzelteile auch immer noch zu finden waren, sie würden hier begraben bleiben.
Eine Woge aus Rauch hüllte Frank ein. Er hustete, duckte sich darunter hinweg und rannte zum Ausgang. Seine Augen brannten, die linke Hand schmerzte, wo er sich an einer jählings emporlodernden Flamme versengt hatte. Die Tür fand er nur mit seinem Tastsinn, weil er die Lider vor dem Qualm fest zukniff. Erleichtert schlug er die Tür hinter sich zu und lehnte sich dagegen, aber sofort zog ihm der dichte Qualm durch das Gitterfenster in die Augen. Die Tür als Rückenstütze rutschte er in eine hockende Position, wo ihn der Rauch nicht traf, und rieb seine Augen, bis die Tränen die giftigen Dämpfe davongeschwemmt hatten. Sein Herz pochte bis zum
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