Die Huren des Apothekers
Ladefläche zu legen. Auch schob er sie beiseite, als sie die Handgriffe fassen wollten. Ganz alleine bugsierte er den Karren zum Gesindehaus.
Elße öffnete die Tür. Nebeneinander legte er die Leiber auf den Tisch.
Frau Luzia trat vor ihn und führte ihn aus dem Haus. »Jetzt werden wir uns mit den beiden befassen. Du solltest ein Grab ausheben. Lasse uns die beiden herrichten. Dann sorgen wir für eine anständige Bestattung.«
Willenlos ließ er sich vor die Tür bringen, die Luzia vor seiner Nase schloss. Sie drehte sich zu Elße. »Er muss beschäftigt werden, seine Körperkraft sinnvoll einsetzen. Und wir haben auch zu tun.«
Bestätigend nickte Elße. Ja, das war ihre Pflicht. Sie musste sich um Jonata kümmern und auch um die Geliebte des Henkers. Frau Luzia bückte sich über eine der Truhen und suchte zwei der einfachen Kleider heraus, von denen auch Elße sich schon bedient hatte. Sie deutete auf ein hellblaues. »Das hätte Jonata gefallen.«
---
Frank fühlte sich wie eine Holzpuppe. Genauso schob die Edelfrau ihn aus dem Haus, stellte ihn vor die Tür wie einen Eimer. Genauso leer kam ihm sein Kopf vor. Nur ein einziger Satz kreiste darin, er wiederholte ihn wieder und immer wieder: Bärbel ist tot. Dabei hatte er gedacht, nach der schockierenden Erzählung der Gelehrtengattin abgeschlossen zu haben. Als er sich auf den Weg in den Mördertempel des Apothekers gemacht hatte, wollte er eigentlich nur ein anständiges Grab für die Liebe seines Lebens. Rache, ja, er wäre nicht davor zurückgeschreckt. Aber als er dann tatsächlich die Worte der Dame bestätigt fand, als sein Ein und Alles an Fleischerhaken von der Decke hing, da war etwas in ihm zerbrochen. Kein Laut mehr war aus seinem Mund gekommen, keine Träne aus den Augen. Wie eine besonders große Frucht hatte er sie heruntergehoben, sich über die Schulter gelegt und erst, als er schon halb vorbei war, auch noch die frischeste Leiche mitgenommen, die noch auf den Planken der Brücke abtropfte. Erschreckend leicht waren die beiden gewesen, zusammen nicht einmal das Gewicht von einer. Auf den letzten Stufen vor dem Ausgang hatte sein Geist begonnen zu schweben. Er hatte seine Beine nicht mehr gefühlt, sie bewegten sich automatisch wie das Räderwerk einer Kirchturmuhr. Sein Körper schwankte unter der Last, er war gegen den Türrahmen gefallen und mit letzter Kraft die Eingangsstufen heruntergestolpert, bis er sich nicht mehr hatte halten können.
Elße, die wunderschöne, anmutige Elße hatte seinen Kopf an ihren Busen gepresst und ihn liebkost. Welches Bild des Elends musste er darstellen, wenn er solche Reaktion in einer anständigen Frau hervorrief! Aufgewacht war er erst, als die beiden Frauen ihn mit dem Karren abgeholt hatten. Und jetzt lag seine einzige Liebe auf dem Tisch zusammen mit Elßes Freundin. Er konnte sie den beiden anvertrauen. Frauen vermochten so etwas. Wenn Männer mit tränenüberströmten Gesichtern ihre eigenen Finger kneteten, kümmerten sich Frauen um die verstorbenen Hüllen ihrer Angehörigen, wuschen sie, richteten sie her, dass niemand mehr ihre grässlichen Wunden sah, als ob sie noch lebten, gerade nur eingeschlafen wären.
Genau so stellte Frank sich das Gesicht seiner Bärbel vor, wie sie unter dem alten Birnbaum eingeschlafen war, die Sonne malte helle Tüpfel über ihre goldenen Sommersprossen. Eine Grille zirpte auf der Wiese in der Mittagshitze und Franks Herz quoll über vor Liebe zu seinem Mädchen. Federleicht schwebte ein Schmetterling herbei und setzte sich auf Bärbels Hand, die neben ihrem Körper lag, im warmen Sonnenschein.
Bärbels Hände hatte er nicht gefunden. Nicht ihre Hände, nicht ihr Herz, ihre Lungen, ihre Eingeweide. Stimmte es, dass die Knechte sie an die Schweine verfüttert hatten? Und ihr gemeinsames Kind, das Bärbel die einsamen Monate auf der Flucht unter ihrem Herzen getragen hatte, beschützt vor der Grausamkeit der Welt, vor allem, was die viehischen Knechte des Apothekers ihr angetan hatten?
Verschwommen erinnerte sich Frank an den Eisenkessel, der über der Glut schmorte, den unfassbaren Inhalt, der hauptsächlich aus Fett bestand. Auf einmal fühlte er wieder etwas. Zorn biss in sein Herz. Er öffnete die Augen und wurde sich bewusst, wo er sich befand. Das Gesindehaus, in dem Elße und Frau Luzia die Leichen der zwei Frauen herrichteten. Direkt neben ihm lehnten Schaufel und Spaten an der Wand, die er aus dem Schuppen geholt hatte, aus dem auch der Karren stammte,
Weitere Kostenlose Bücher