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Die Hurenkönigin (German Edition)

Die Hurenkönigin (German Edition)

Titel: Die Hurenkönigin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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ja sein«, erwiderte die junge Frau. »Ich will ja auch nicht behaupten, dass der mit der Freifrau was hatte. Nein, es war etwas anderes … Der hat die Freifrau regelrecht angebetet. So als ob sie eine Heilige wäre. – Und das ist sie weiß Gott nicht!«, fügte die Weinbauersgattin bissig hinzu.
    Am Tisch war hämisches Gelächter zu vernehmen.
    Ursel war hochgradig alarmiert. »Wieso, wie ist sie denn?«, wandte sie sich an die Erzählerin.
    »Lioba von Urberg ist ein wahrer Ausbund an Bosheit«, erklärte die Angesprochene. »Zumindest ihren Untergebenen gegenüber. Sie hat zwar das reinste Engelsgesicht, aber so gemein und zänkisch habe ich noch nie jemanden erlebt. Ich war nur ein halbes Jahr in ihren Diensten, aber im Nachhinein frage ich mich, wie ich es überhaupt so lange ausgehalten habe.«
    Der Hurenkönigin stockte der Atem, sie musste unwillkürlich an das Mädchen auf dem Steg denken. Das schöne Gesicht mit den kalten Augen … Aber das kann sie nicht gewesen sein, das war doch noch ein Kind!
    »Bei der hält es niemand länger aus«, mischte sich die junge Scheuermagd ein. »Meine Schwester hat mal eine Zeitlang auf dem urbergschen Landsitz als Küchenmagd gearbeitet. Wenn sie uns an ihren freien Nachmittagen besucht hat, hat sie immer ganz verheulte Augen gehabt. Wir waren alle froh, als sie ihren Bräutigam kennengelernt hat und endlich dort aufhören konnte. Die muss ein ganz gemeines Aas sein, die Freifrau. Ich hätte mich auch dort verdingen können, aber nach allem, was ich von der gehört habe, hatte ich keine Lust dazu.«
    »Meint Ihr, die sucht vielleicht eine Näherin?«, kam es Ursel unversehens über die Lippen.
    Die Scheuermagd fuhr zusammen. »Das meint Ihr doch nicht im Ernst?«, rief sie entgeistert. »Davon kann ich Euch nur abraten! Versucht es doch bei den Rittern von Sachsenhausen oder auch bei den Herren von Praunheim, aber bloß nicht bei der …«
    Ursel nickte einsichtig. »Ich denke, ich werde Euren Rat beherzigen. Morgen früh will ich mal bei den Rittern von Sachsenhausen und bei den Praunheims um eine Stelle vorsprechen«, erklärte sie gähnend und verabschiedete sich von ihren Trinkkumpanen.
    Müde, und von dem reichlich genossenen Wein auch entsprechend angetrunken, verkroch sich die Hurenkönigin in dem kleinen Mansardenzimmer auch sogleich auf ihren Strohsack. Bevor ihr endgültig die Augen zufielen, warf sie noch einen Blick auf den nächtlichen Sternenhimmel, der sich über der geöffneten Dachluke abzeichnete. Während sie tief die frische Nachtluft einsog, sandte sie ein Stoßgebet an ihre Schutzheiligen, Bernhard und all die anderen, die sie liebte, zu schützen. Zum Schluss erflehte sie noch den Schutz der Himmelskönigin für ihre morgige Mission und schlief ein.

14
    Freitag, 5. August 1511
      Die Glocken der benachbarten Dreikönigskirche hatten gerade zur sechsten Stunde geschlagen. Ursel rieb sich verschlafen die Augen und kroch schwerfällig von ihrem Strohsack. Als sie auf den Beinen stand, fühlte sie einen dumpfen Kopfschmerz, und das Blut pulsierte dröhnend hinter ihren Schläfen. Sie wusste nur zu gut, woran das lag, und fluchte, dass sie sich gestern Abend in der Schenke mit dem Wein nicht zurückgehalten hatte. Ein offensichtlicher Kater war ihrem Vorhaben, sich bei der Freifrau von Urberg um eine Stelle als Näherin zu bewerben, bestimmt nicht sehr zuträglich.
    Die Luft in der Dachkammer war, obgleich es noch früh am Morgen war und die Dachluke weit offen stand, derart stickig, dass der Zimmerin schwarz vor Augen wurde. Sie wankte zum Tisch, auf dem ein Wasserkrug stand, ließ sich auf den Holzhocker sinken und füllte den irdenen Trinkbecher. In großen Zügen trank sie den Becher leer, auch wenn das Wasser schal und abgestanden schmeckte und keinerlei Erfrischung brachte. Sie blinzelte hinauf zum wolkenverhangenen Himmel. Was für ein drückend schwüler Tag! Da fiel einem ja das Atmen schwer. Egal!, ermahnte sich die Hurenkönigin streng und streifte sich das taubenblaue Untergewand über den verschwitzten Körper. Und wenn ich auf allen vieren kriechen muss, ich geh jetzt dahin! – Es gab wohl keine andere Möglichkeit, um den Freiherrn von Stockheim auszuforschen. Sicher, der Verdacht gegen ihn war eher nebulös, er brannte ihr jedoch auf der Seele.
    Ursel fuhr sich über die langen roten Haare, die strähnig über ihre Schultern hingen, und beschloss, sich am Hofbrunnen erst einmal gründlich zu waschen. Sie wollte ja adrett

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