Die Hurenkönigin (German Edition)
hübsches sommersprossiges Gesicht. »Die Lena und ich sind bei den Rittern von Praunheim in Diensten.« Dabei wies sie auf die dunkelhaarige Frau an ihrer Seite.
»Viele Einheimische sind auf den Gutshöfen in Stellung oder auf sonst eine Weise für die Herrschaften tätig«, bemerkte der Fischer. »Das gilt auch für mich. Die meisten meiner Fische liefere ich bei den Adelshöfen ab, und darüber bin ich auch ganz froh, sonst würden meine Leute daheim noch öfter am Hungertuch nagen. Die Herrschaften haben zwar alle ihre eigenen Fischteiche im Sachsenhäuser Forst, aber sie wollen auch mal ein bisschen Abwechslung und nicht das ganze Jahr über Karpfen und Forellen essen.« Mit hochgezogenen Augenbrauen fuhr er fort: »Die können sich das leisten und müssen sich nicht mit grätigen Rotaugen begnügen, so wie wir. Und auch die sind manchmal knapp bemessen, denn nur wenn’s ein guter Fang war, bleibt noch was für die eigenen Leute übrig. Alles andere muss verkauft werden, damit man halbwegs über die Runden kommt.«
Ursel, die noch immer an ihren Besuch auf dem Riedhof denken musste, beschloss, die Einheimischen ein wenig über den Freiherrn auszuhorchen. Sie berichtete von ihrem erfolglosen Stellengesuch. »Kennt eigentlich jemand von euch den jungen Freiherrn von Stockheim?«, wollte sie anschließend wissen.
Die meisten wussten darauf nichts zu erwidern und schüttelten nur den Kopf.
»Man kennt ihn in Sachsenhausen eigentlich kaum. Er geht selten aus und lebt sehr zurückgezogen«, sagte die junge Scheuermagd. »Es heißt allgemein, dass er sehr fromm ist …«
»Fromm? Gegen den ist doch jeder Klosterbruder noch ein lockerer Gesell«, entrüstete sich der Schneider. »Und obwohl er noch keine zwanzig ist, ist er schon so verstockt und sauer wie eine alte Betschwester.«
Sogleich richteten sich die Augen der Anwesenden neugierig auf ihn. Die Zimmerin jedoch konnte nicht mehr an sich halten und schoss ins Blaue hinein: »Kann es sein, dass er ein Marienverehrer ist und einen Ring mit dem Symbol der sieben Schmerzen Mariens am Finger trägt? Ich meine, ich hätte so was schon mal über ihn gehört …«
Der Schneider überlegte. »Von so einem Ring weiß ich nichts. Ich habe einen solchen jedenfalls nicht an ihm gesehen«, äußerte er gewichtig und genoss es augenscheinlich, im Mittelpunkt zu stehen. »Aber vor Jahren hatte ich dort mal zu tun, da draußen auf dem Riedhof. Das muss kurz nach dem Ableben der Freifrau gewesen sein, denn ich habe bei dem jungen Herrn Maß für ein Trauergewand nehmen müssen. Dabei ist mir aufgefallen, dass die Wände des Kaminzimmers übersät waren mit prunkvollen Mariengemälden.«
Die Zimmerin hing förmlich an seinen Lippen. »Was Ihr nicht sagt!«, entfuhr es ihr erregt. »Und sonst? Ich meine, wie ist er sonst so?«
»Na ja, ein arroganter Laffe halt. Blickt durch einen hindurch, als ob man Luft wäre«, grummelte der Schneider erbost. »Aber so sind sie halt nun mal, unsere Adelsherren. Mit gemeinen Leuten unterhält man sich nicht und die würdigt man auch keines Blickes …«
Von allen Seiten des Tisches kam zustimmendes Gemurmel. Es folgten die üblichen Klagen, mit denen sich der Unmut armer Leute über die mannigfaltigen Demütigungen ihrer Herrschaften Bahn brach.
»Nun ja, letztendlich ist er doch ein armer Teufel, der junge Freiherr«, richtete der Schneider das Wort wieder an die Hurenkönigin. »Er ist früh verwaist und lebt als letzter Nachkomme seines Geschlechts ganz einsam und verlassen auf seinem Landgut im Sachsenhäuser Forst. Soweit mir bekannt ist, hat er lediglich einen Diener und eine alte Köchin, die ihm auch den Haushalt führt.«
»Ich habe vor einem Jahr auch mal am Riedhof wegen einer Anstellung vorgesprochen«, meldete sich die junge Wäscherin zu Wort. »Da hat mich die alte Magd am Tor nur angefahren: ›Mach dich fort, wir brauchen niemanden‹, und hat mir die Tür vor der Nase zugeschlagen.«
»Ich war früher, bevor ich geheiratet habe, mal in Diensten bei der Freifrau von Urberg«, erklärte die junge Frau eines Winzers. »Der Freiherr von Stockheim ist doch ihr Cousin. Den habe ich dort auch ein paarmal gesehen. Und ich kann euch sagen, wie der die angehimmelt hat, das war nicht mehr normal!« Die junge Frau verdrehte die Augen.
Ursel war hellhörig geworden. »Das wundert mich jetzt aber«, bemerkte sie stirnrunzelnd. »Nach allem, was ich so über ihn gehört habe, macht er sich nicht viel aus Frauen.«
»Das mag
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