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Die Hurenkönigin (German Edition)

Die Hurenkönigin (German Edition)

Titel: Die Hurenkönigin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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nahe gelegenen Römerberg das Geläut zur elften Stunde. Ein Reiter galoppierte die langgezogene Fahrgasse herunter und brachte das Pferd vor ihr zum Stehen. In der Hand hielt er eine Fackel, in deren Schein sie feingeschnittene Gesichtszüge erkennen konnte.
    »Seid Ihr die Hure Roswitha?«, erkundigte er sich ohne Umschweife bei der gelbgewandeten Frau.
    »Die bin ich, mein Herr.« Rosi, die von dem vornehm gekleideten Reiter angenehm überrascht war, schenkte ihm ein verführerisches Lächeln. Was für ein hübsches Bürschchen, ging es ihr durch den Sinn, für den würd ich ja sogar umsonst die Beine breit machen!
    Der junge Mann blickte sich aufmerksam nach allen Seiten um, stieg vom Pferd und wandte sich dem Brückentor zu. Sie sah, dass er einen großen Bartschlüssel zückte und damit das Tor aufschloss. Er drückte auf die Klinke, und der eisenbeschlagene Türflügel öffnete sich knirschend zur Brücke hin.
    »Geh Sie doch schon mal durch«, murmelte er. »Wir müssen hinüber nach Sachsenhausen.«
    Rosi trat über die Schwelle auf die steinerne Mainbrücke, die düster und menschenleer vor ihr lag. Tagsüber herrschte hier ein ständiges Kommen und Gehen. Hinter den Brückenpfeilern strömte träge der Main dahin, in der nächtlichen Dunkelheit glich er einem schwarzen Abgrund. Sie hörte, dass ihr Begleiter die Pforte wieder verriegelte, und wandte sich zu ihm um.
    »Erstaunlich, dass Ihr über einen Torschlüssel verfügt. Da müsst Ihr ja ein ganz hoher Herr sein«, durchbrach sie die Stille.
    Anstelle einer Erwiderung hievte sie der schlanke, großgewachsene Mann mit einer kraftvollen Bewegung aufs Pferd und schwang sich hinter sie. Sogleich setzte sich das Tier in Bewegung, und wenig später sah Rosi das Brückenkreuz mit dem goldenen Hahn auf der Spitze an sich vorüberziehen. Im nächsten Augenblick passierten sie auch schon den hohen Durchgang des Brückenturms, in dem die Stadt ihre Narren verwahrte. Rosi vermeinte von oben aus dem Turm irres Wimmern zu vernehmen, und ein kalter Schauder überlief sie. Schnell hatten sie den mächtigen Wachturm an der Sachsenhäuser Mainseite erreicht, dessen Portal der Fremde gleichermaßen entriegelte und, nachdem sie hindurch waren, wieder verschloss. Anschließend ging es in wildem Galopp durch den kleinen Stadtteil Sachsenhausen. Die Bewohner schienen schon allesamt zu schlafen, Rosi konnte hinter den dunklen Fensterhöhlen keinen Lichtstrahl ausmachen. Unversehens entrang sich ihr ein Seufzer, denn der Arm des jungen Reiters hielt sie mit eisernem Griff umklammert und schnürte ihr regelrecht die Luft ab. In Windeseile gelangten sie an die Affenpforte am anderen Ende der Stadtmauer, die aus Sachsenhausen hinausführte.
    »Sagtet Ihr nicht, wir müssten nach Sachsenhausen?«, erkundigte sich Rosi, der allmählich mulmig wurde.
    »Wir reiten in den Sachsenhäuser Forst«, erwiderte der Reiter, und seine Umklammerung wurde noch fester. Was für ein Grobian!
    »Au, Ihr tut mir weh!«, begehrte sie auf, als sein Ellbogen ihre Brust quetschte. Er quittierte ihre Klage mit eisigem Schweigen und lockerte seinen Griff nicht im Geringsten. Am liebsten hätte Rosi sich aus der Umklammerung befreit und wäre vom Pferd gesprungen. Einer, der so grob war und so abweisend, der würde ihr doch nur blaue Flecken einbringen! Aber da war noch der zweite Gulden – und sie beschloss, gute Miene zum bösen Spiel zu machen, und muckste sich nicht mehr, als sie über den Steg des Stadtgrabens ritten. Und dann waren sie auch schon im Wald.
    Rosi wusste nicht, ob es an den finsteren Tannen lag oder an seinem angespannten Schweigen – er hatte sie auch noch kein einziges Mal berührt, wie das die anderen Kerle immer taten –, aber sie hatte plötzlich ein banges Gefühl. Etwas huschte hinter den Bäumen durchs Dickicht, und in der Nähe erklang der Ruf eines Käuzchens. Rosi stellten sich die Nackenhärchen auf. Erneut machte sie den Versuch, mit dem schweigsamen Reiter ins Gespräch zu kommen.
    »Ich bin froh, dass Ihr bei mir seid. In dem Wald kann einem schon das Grausen kommen«, plapperte sie bemüht munter und legte ihm die Hand auf den Oberschenkel.
    »Lass Sie das!«, fuhr er sie an und rammte ihr den Griff der Fackel in den Rücken. Rosi war vor Schreck wie gelähmt. Während sich der Regen auf ihrem Gesicht mit kaltem Angstschweiß mischte, spürte sie bis in die Haarspitzen hinein, dass etwas Böses von ihm ausging. In jäher Panik schrie sie verzweifelt um Hilfe und

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