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Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Titel: Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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dem üblichen banalen Keuchen, Stöhnen, Aufschreien und Anweisungen bestanden hatte, die man bei derlei Tätigkeit erwarten kann, ließ plötzlich Schreie in der Holonische ertönen – zuerst die des jungen Mannes, dann die von Sira.
    Ein Poltern war zu hören, als der Körper des Jungen außerhalb der Kamera an die Wand klatschte. Siras Körper lag wartend in tragikomischer Verwundbarkeit da, sie hatte die Beine gespreizt, ihre Arme waren ausgebreitet, die Brüste plattgedrückt, die Schenkel blaß. Sie hatte den Kopf in Ekstase zurückgelegt gehabt, aber nun hatte sie Zeit, Schock und Wut verdrängten bereits den seltsam einfältigen Ausdruck des kurz bevorstehenden Orgasmus. Sie machte den Mund auf, um etwas zu rufen.
    Keine Worte. Man hörte Klingen, die Fleisch durchbohrten, als würde eine Wassermelone aufgeschnitten, und Haken, die in Fleisch und Knorpel geschlagen wurden. Siras Kopf kippte zurück, sie machte den Mund unmöglich weit auf und ihr ganzer Körper explodierte vom Brustbein an abwärts bis zu ihrer geöffneten Scham. Das Fleisch teilte sich, als würde eine unsichtbare Axt Sira Rob zu Geschnetzeltem verarbeiten. Unsichtbare Skalpelle rissen sie weiter auf, Schnittwunden erschienen wie obszöne Zeitrafferaufnahmen der Lieblingsoperation eines Chirurgen. Es war eine brutale Autopsie, die an einem lebenden Menschen vorgenommen wurde. Oder besser gesagt, an einem einst lebenden Menschen, denn als das Blut aufhörte zu spritzen und der Körper nicht mehr zuckte, entspannten sich Siras Gliedmaßen im Tod, und sie spreizte die Beine wieder wie ein Echo der obszönen Zurschaustellung der Eingeweide darüber. Und dann – nur einen Sekundenbruchteil – sah man ein Flackern von Rot und Chrom bei dem Bett.
    »Standbild, vergrößern«, befahl König Billy dem Hauscomputer.
    Das Flackern wurde zu einem Kopf aus dem Alptraum eines Schocksüchtigen: ein Gesicht teils Stahl, teils Chrom und teils Schädel, Zähne wie die eines mechanischen, mit einer Planierraupe gekreuzten Wolfs, Augen wie Laser, die sich durch Edelsteine voll Blut brannten, die Stirn von einem gekrümmten Dorn geteilt, der dreißig Zentimeter von dem Quecksilberschädel abstand, und ein von ähnlichen Stacheln umkränzter Hals.
    »Das Shrike?« fragte ich.
    König Billy nickte – eine kaum merkliche Bewegung von Kinn und Kiefern.
    »Was ist mit dem Jungen passiert?« fragte ich.
    »Von dem war keine Spur zu sehen, als Siras Leichnam gefunden wurde«, sagte der König. »Niemand wußte, daß er vermißt wird, bis die Disk gefunden wurde. Man hat ihn als jungen Unterhaltungsspezialisten aus Endymion identifiziert.«
    »Sie haben das Holo gerade gefunden?«
    »Gestern«, sagte König Billy. »Die Sicherheitsleute haben die Kamera an der Decke gefunden. Weniger als ein Millimeter Durchmesser. Sira hatte eine ganze Bibliothek solcher Disks. Die Kamera war offenbar nur da, um ... äh ...«
    »Die Schlafzimmerfreuden festzuhalten«, sagte ich.
    »Genau.«
    Ich stand auf und näherte mich dem schwebenden Abbild der Kreatur. Meine Hand glitt durch Stirn, Stachel, Kiefer. Der Computer hatte die Größe berechnet und entsprechend wiedergegeben. Der Größe des Kopfes nach zu urteilen, mußte unser hiesiger Grendel über drei Meter groß sein. »Shrike«, murmelte ich – mehr ein Gruß als eine Identifizierung.
    »Was können Sie mir darüber sagen, Martin?«
    »Warum fragen Sie mich das?« fauchte ich. »Ich bin Dichter, kein Mythohistoriker.«
    »Sie haben sich mit einer Anfrage nach Natur und Herkunft des Shrike an den Schiffscomputer gewandt.«
    Ich zog die Brauen hoch. Computeranfragen sollten so privat und anonym sein wie Anfragen an die Datensphäre in der Hegemonie. »Na und?« sagte ich. »Hunderte müssen die Shrikelegende abgefragt haben, seit die Morde begannen. Vielleicht tausende. Es ist die einzige verdammte Monsterlegende, die wir haben.«
    König Billy bewegte seine Wülste und Falten auf und ab. »Ja«, sagte er, »aber Sie haben die Anfrage drei Monate vor dem ersten Verschwinden eingegeben.«
    Ich seufzte und sank in die Kissen der Holonische. »Na gut«, sagte ich. »So ist es. Na und? Ich wollte die Scheißlegende in das Scheißgedicht einarbeiten, das ich schreibe, daher habe ich sie recherchiert. Nehmen Sie mich deswegen fest.«
    »Was haben Sie erfahren?«
    Ich war jetzt sehr wütend. Ich stampfte mit den Satyrhufen auf den weichen Teppich. »Nur das, was im verdammten Archiv ist«, erwiderte ich heftig. »Verdammt, was

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