Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Titel: Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
Vom Netzwerk:
sein – eine Hemisphäre füllte den Raum ›über‹ ihm aus –, aber er hatte keine Ahnung, wie dicht der Tintenfisch an der Atmosphäre war. Er konnte keinen der Datenmonitore lesen. Er konnte nur vermuten, wie hoch die Orbitalgeschwindigkeit gewesen war und wie stark der Ruck des Wiedereintritts sein würde. Sein einziger längerer Blick vom Wrackteil der HS Merrick hatte Kassad gezeigt, daß sie sehr nahe waren, möglicherweise nur fünf- oder sechshundert Klicks über der Oberfläche und in einer Art Parkorbit, aus dem, wie er wußte, für gewöhnlich Landungsboote abgesetzt wurden.
    Kassad versuchte, sich das Gesicht abzuwischen und runzelte die Stirn, als die Spitzen zu weiter Handschuhfinger gegen das Visier stießen. Er war müde. Verdammt, vor ein paar Stunden war er noch in der Fuge gewesen, und wenige Schiffswochen vorher mit ziemlicher Sicherheit körperlich tot.
    Er fragte sich, ob Hyperion oder Garden unter ihm lag; er war noch auf keiner der beiden Welten gewesen, wußte aber, daß Garden dichter besiedelt war und dichter dran, Kolonie der Hegemonie zu werden. Er hoffte, daß es Garden war.
    Drei Angriffsboote starteten vom Schlachtschiff aus. Kassad sah sie deutlich, bevor die Heckkamera weiterglitt. Er schlug auf die Schubkontrollen ein, bis er den Eindruck hatte, als würde das Schiff schneller auf den Planeten über ihm zurasen. Mehr konnte er nicht tun.
     
    Der Tintenfisch drang in die Atmosphäre ein, bevor die drei Angriffsboote der Ousters ihn erreichten. Die Boote waren zweifellos bewaffnet und längst in Reichweite, aber jemand im Befehlsstab mußte neugierig sein. Oder besonders wütend.
    Kassads Tintenfisch war ganz und gar nicht aerodynamisch. Wie bei den meisten Beibooten, die nur für den Verkehr zwischen Schiffen konstruiert waren, konnte der Tintenfisch zwar mit Planetenatmosphären flirten, war aber zum Untergang verurteilt, wenn es tiefer in sie eindrang. Kassad sah das verräterische rote Glühen des Eintritts, hörte das Ionenrauschen über die aktiven Funkkanäle und fragte sich plötzlich, ob seine Idee wirklich so gut gewesen war.
    Die atmosphärische Reibung stabilisierte den Tintenfisch, und Kassad spürte den ersten zurückhaltenden Sog der Schwerkraft, während er Konsole und Armlehnen des Pilotensessels nach dem Kontrollkreis absuchte und betete, daß er überhaupt einen finden würde. Ein Videomonitor voll Statik zeigte ein blaues Leuchten, als eines der Landungsboote Gegenschub feuerte. Die erzeugte Illusion war mit der vergleichbar, wenn ein Fallschirmspringer beobachtet, wie ein anderer den Fallschirm öffnet oder die Schwebetakelung aktiviert; das Boot schien plötzlich in die Höhe zu schnellen.
    Aber Kassad hatte andere Sorgen. Es schien keine Notausstiegsmöglichkeit, keinen Schleudersitz zu geben. Jedes Shuttle von FORCE:Weltraum war mit einem Notausstieg für Atmosphären ausgerüstet – ein Brauch, der fast achthundert Jahre zurückreichte, als der Raumflug noch aus zaghaften Exkursionen dicht über die Atmosphäre der Alten Erde bestanden hatte. Ein Shuttle, das nur von Schiff zu Schiff verkehrte, brauchte wahrscheinlich nie einen planetaren Schleudersitz, aber alte, in ebenso alten Vorschriften festgeschriebene Ängste starben nicht leicht aus.
    So jedenfalls lautete die Theorie. Kassad konnte nichts finden. Das Schiff knackte inzwischen, drehte sich und wurde richtig heiß. Kassad machte den Sicherheitsgurt auf und zog sich in den rückwärtigen Teil des Tintenfischs, ohne selbst genau zu wissen, wonach er suchte. Schwebepacks? Fallschirme? Schwingen?
    Im Truppenraum waren lediglich der Leichnam des Ousterpiloten und ein paar Staukammern, kaum größer als Schuhkartons. Kassad sah sie alle durch, fand aber nichts Größeres als einen Medkoffer. Keine Wundergeräte.
    Kassad konnte hören, wie der Tintenfisch durchgeschüttelt wurde und Risse bekam, während er an einem Haltering hing und die Tatsache akzeptierte, daß die Ousters weder Geld noch Platz für derart unwahrscheinliche Rettungsmöglichkeiten ihrer Piloten vergeudet hatten. Warum auch? Sie verbrachten ihr Leben in der Dunkelheit zwischen den Sternsystemen; ihre Vorstellung von einer Atmosphäre waren die acht Klick langen Druckröhren ihrer Weltraumstädte. Die externen Audiosensoren in Kassads Helmkugel fingen das wütende Zischen der Luft ein, die um die Hülle pfiff und durch die zerschossene Kuppel in den Heckabschnitt eindrang. Kassad zuckte die Achseln. Er hatte einmal zu oft gespielt und

Weitere Kostenlose Bücher