Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Titel: Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
Vom Netzwerk:
aus dem Orbit beseitigen ... aber dann wußte er mit plötzlicher Gewißheit, daß sie das nicht tun würden.
    Die Zeitgräber lagen in einem Tal. Ein kleiner Obelisk glühte sanft. Eine Steinsphinx schien das Licht zu absorbieren. Eine komplexe Struktur aus Säulen warf Schatten auf sich selbst. Andere Gräber hoben sich als Silhouette vor der aufgehenden Sonne ab. Jedes Grab hatte eine Tür und jede Tür war offen. Kassad wußte, sie waren schon offen gewesen, als die ersten Forscher die Gräber entdeckt hatten, und daß die Bauwerke leer waren. Mehr als drei Jahrhunderte langes Suchen nach verborgenen Räumen, Grüften, Krypten und Durchgängen war vergeblich gewesen.
    »Weiter kannst du nicht gehen«, sagte Moneta, als sie sich der Klippe am Kopf des Tals näherten. »Die Gezeiten der Zeit sind heute stark.«
    Kassads taktisches Implantat war stumm. Er hatte kein Komlog. Er kramte in seinen Erinnerungen. »Es sind Anti-Entropie-Kraftfelder um die Zeitgräber herum«, sagte er.
    »Ja.«
    »Die Gräber sind uralt. Die Anti-Entropiefelder verhindern, daß sie altern.«
    »Nein«, sagte Moneta. »Die Gezeiten der Zeit treiben die Gräber rückwärts durch die Zeit.«
    »Rückwärts durch die Zeit?« wiederholte Kassad verständnislos.
    »Schau!«
    Schimmernd, einer Fata morgana gleich, tauchte ein Baum aus Stahldornen aus dem Staubsturm ockerfarbenen Sands auf. Das Ding schien das gesamte Tal auszufüllen und reichte mindestens zweihundert Meter hoch bis zur Höhe der Klippen. Zweige veränderten sich, lösten sich auf und entstanden neu wie die Elemente eines schlecht eingestellten Hologramms. Sonnenlicht tanzte auf fünf Meter langen Dornen. Leichen von Oustermännern und -frauen, sämtlich nackt, waren auf mindestens zwanzig dieser Dornen aufgespießt. Auf anderen Zweigen befanden sich weitere Leichen. Nicht alle waren menschlich.
    Der Sandsturm verdeckte den Blick für einen Moment, und als der Wind nachließ, war die Vision fort. »Komm!« sagte Moneta.
    Kassad folgte ihr durch die Ausläufer der Gezeiten der Zeit und wich Ebbe und Flut der Anti-Entropiefelder aus wie Kinder, die an einem breiten Strand Fangen mit der Meeresbrandung spielen. Kassad spürte, wie der Sog der Gezeiten wie Wogen des déjà vu an jeder Zelle seines Körpers zerrte.
    Kurz nach dem Zugang zum Tal, wo die Hügel in Dünen übergingen und flache Moore zur Stadt der Dichter führten, berührte Moneta eine blaue Schieferwand, worauf sich ein Eingang zu einem langen, in der Klippe eingelassenen Raum öffnete.
    »Wohnst du hier?« fragte Kassad, sah aber auf der Stelle, daß der Raum unbewohnt wirkte. In die Steinwände des Raums waren Regale und enge Nischen eingelassen.
    »Wir müssen uns bereit machen«, flüsterte Moneta, und das Licht nahm einen goldenen Schimmer an. Ein langes Regal senkte sich und bot seine Waren dar. Ein hauchdünner Streifen reflektierenden Polymers wallte von der Decke und diente als Spiegel.
    Kassad verfolgte mit der ruhigen Passivität eines Träumers, wie Moneta ihre Kleidung auszog und dann seine. Ihre Nacktheit war nicht mehr erotisch, nur noch zeremoniell.
    »Du bist seit Jahren in meinen Träumen«, sagte er zu ihr.
    »Ja. Meiner Vergangenheit. Deiner Zukunft. Die Schockwellen von Ereignissen bewegen sich über die Zeit wie Wellen über einen Teich.«
    Kassad blinzelte, als sie eine goldene Rute hob und ihn damit an der Brust berührte. Er spürte einen gelinden Schock, dann wurde sein Fleisch zu einem Spiegel, sein Kopf und das Gesicht ein konturloses Oval, das sämtliche Farben und Töne des Raums reflektierte. Einen Augenblick später gesellte sich Moneta zu ihm, ihre Körper wurden zu einer Kaskade der Spiegelungen, Wasser über Quecksilber über Chrom. Kassad sah sein Spiegelbild in jeder Kurve ihres Körpers. Monetas Brust fing das Licht ein und brach es; ihre Brustwarzen standen wie kleine Spritzer auf einem spiegelnden See vor. Kassad umarmte sie und spürte, daß ihre Oberflächen wie magnetische Flüssigkeit verschmolzen. Unter den verbundenen Feldern berührte seine Haut ihre.
    »Deine Feinde warten außerhalb der Stadt«, flüsterte sie. Licht spielte auf dem Chrom ihres Gesichts.
    »Feinde?«
    »Die Ousters. Die dir hierher gefolgt sind.«
    Kassad schüttelte den Kopf und sah seine Spiegelung dasselbe tun. »Die sind nicht mehr wichtig.«
    »O doch«, flüsterte Moneta, »der Feind ist immer wichtig. Du mußt dich bewaffnen.«
    »Womit?« Doch während er es noch sagte, merkte Kassad schon, daß

Weitere Kostenlose Bücher