Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion
Stimme des Baums Het Masteen ist tot.«
»Das wissen wir«, sagte der Tempelritter.
Duré war überrascht. Er konnte sich nicht vorstellen, woher sie diese Information bekommen hatten. Aber das war jetzt einerlei. »Ich muß wissen, weshalb er an der Pilgerfahrt teilgenommen hat. Was war die Mission, deren Vollendung er nicht mehr erleben durfte? Jeder von uns hat seine ... seine Geschichte erzählt. Het Masteen nicht. Und doch bin ich irgendwie der Meinung, daß sein Schicksal den Schlüssel zu vielen Geheimnissen birgt.«
Der Bischof sah Duré höhnisch an. »Wir brauchen Ihnen gar nichts zu erzählen, Priester einer toten Religion.«
Sek Hardeen saß lange schweigend da, bevor er antwortete. »M. Masteen hat sich freiwillig gemeldet, das Wort Muirs nach Hyperion zu tragen. Eine Prophezeiung gehört schon seit Jahrhunderten zu den Wurzeln unseres Glaubens, daß nämlich in Zeiten der Not eine Wahre Stimme des Baums auserwählt würde, ein Baumschiff zur Heiligen Welt zu bringen, welches dortselbst zerstört wird, um wiedergeboren zu werden und die Botschaft der Buße und des Muir hinauszutragen.«
»Also hat Het Masteen gewußt, daß sein Baumschiff im Orbit zerstört werden würde?«
»Ja. Das war vorhergesagt.«
»Und er und der energiebindende Erg sollten ein neues Baumschiff fliegen?«
»Ja«, sagte der Tempelritter fast unhörbar. »Einen Baum der Buße, den das Avatar bringen würde.«
Duré lehnte sich zurück und nickte. »Ein Baum der Buße. Der Dornenbaum. Het Masteen wurde psychisch verletzt, als die Yggdrasil vernichtet wurde. Dann wurde er zum Tal der Zeitgräber gebracht, wo man ihm den Dornenbaum des Shrike zeigte. Aber er war nicht bereit oder willens, es zu tun. Der Baum der Dornen ist ein Gebilde des Todes, der Qualen, des Leids ... Het Masteen war nicht bereit, ihn zu steuern. Vielleicht weigerte er sich auch. Wie dem auch sei, er ist geflohen. Und gestorben. Das dachte ich mir ... aber ich hatte keine Ahnung, welches Schicksal das Shrike ihm zugedacht hatte.«
»Wovon sprechen Sie?« fragte der Bischof schroff. »Der Baum der Buße wird in den Prophezeiungen beschrieben. Er wird das Avatar bei seiner letzten Ernte begleiten. Masteen wäre bereit und geehrt gewesen, ihn durch Raum und Zeit zu steuern.«
Paul Duré schüttelte den Kopf.
»Haben wir Ihre Fragen beantwortet?« fragte M. Hardeen.
»Ja.«
»Dann müssen Sie unsere beantworten«, sagte der Bischof. »Was ist mit der Mutter geschehen?«
»Welcher Mutter?«
»Der Mutter Unserer Erlösung. Der Braut der Buße. Die Sie Brawne Lamia nennen.«
Duré konzentrierte sich und versuchte sich an die Zusammenfassungen zu erinnern, die der Konsul von den Geschichten der Pilger gemacht hatte, welche diese auf dem Weg nach Hyperion erzählt hatten. Brawne war von dem ersten Keats-Cybrid schwanger gewesen. Der Tempel des Shrike auf Lusus hatte sie vor dem Mob gerettet und mit auf die Pilgerfahrt geschickt. Sie hatte in ihrer Geschichte erwähnt, daß die Anhänger des Shrike sie mit Ehrerbietung behandelt hatten. Duré versuchte das in das wirre Mosaik dessen einzufügen, was er bereits gelernt hatte. Er konnte es nicht. Er war zu müde ... und, dachte er, nach dieser sogenannten Wiederauferstehung auch zu dumm. Er war nicht der Intellektuelle, der Paul Duré einst gewesen war, und würde es nie wieder sein.
»Brawne war bewußtlos«, sagte er. »Offenbar hatte das Shrike sie geholt und mit einem ... Ding verbunden. Einem Kabel. Ihr Geisteszustand entsprach dem einer Gehirntoten, aber der Fötus lebte und war gesund.«
»Und die Persönlichkeit, die sie in sich trug?« fragte der Bischof mit gepreßter Stimme.
Duré fiel ein, was Severn ihm über den Tod dieser Persönlichkeit in der Megasphäre gesagt hatte. Offenbar wußten diese beiden nichts von der zweiten Keats-Persönlichkeit – der Severn-Persönlichkeit, die in diesem Augenblick Gladstone vor der Gefahr warnte, die der Vorschlag des Core bedeutete. Duré schüttelte den Kopf. Er war sehr müde. »Ich weiß nichts von der Persönlichkeit, die sie in der Schrön-Schleife getragen hat«, sagte er. »Das Kabel – das Ding, welches das Shrike an ihr befestigt hat – schien sich in die Neuralsteckdose einzupassen wie ein Kortikalstecker.«
Der Bischof schien zufriedengestellt und nickte. »Die Prophezeiungen erfüllen sich folgerichtig. Sie haben Ihren Zweck als Bote erfüllt, Duré. Ich muß nun gehen.« Der große Mann stand auf, nickte der Wahren Stimme des Weltbaums zu
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