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Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion

Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion

Titel: Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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vorbei, aber Schwäche hat sich wie eine Decke aus Wackersteinen über mich gelegt. Ich deute wieder auf das Handtuch, das Hunt naß macht, das Blut von meinen Armen und der Brust wischt und mir hilft, auf dem einzigen Stuhl Platz zu nehmen, während er die blutigen Decken und Laken entfernt.
    »Wissen Sie, was los ist?« fragt er mit aufrichtig besorgter Stimme.
    »Ja.« Ich versuche zu lächeln. »Genauigkeit. Versiertheit. Ontogenie rekapituliert Phylogenie.«
    »Sprechen Sie vernünftig!« fordert Hunt brüsk und hilft mir zum Bett zurück. »Was hat den Blutsturz verursacht? Was kann ich tun, um Ihnen zu helfen?«
    »Ein Glas Wasser, bitte.« Ich trinke, spüre das Kochen in Brust und Hals, kann aber einen neuerlichen Hustenanfall unterdrücken. Mein Magen fühlt sich an, als stünde er in Flammen.
    »Was geht hier vor?« will Hunt wissen.
    Ich spreche langsam, vorsichtig, und plaziere jedes Wort wie die Füße in einem dichten Minenfeld. Der Husten bleibt aus. »Eine Krankheit namens Schwindsucht«, sage ich. »Tuberkulose. Im Endstadium, den schweren Blutstürzen nach zu urteilen.«
    Hunts Bassetgesicht ist weiß. »Großer Gott, Severn. Ich habe noch nie von Tuberkulose gehört.« Er hebt die Hand, als wollte er die Komlogerinnerung konsultieren, aber sein Gelenk ist kahl.
    Ich gebe ihm sein Instrument zurück. »Tuberkulose ist seit Jahrhunderten ausgestorben. Geheilt. Aber John Keats hatte sie. Starb daran. Und dieser Cybridkörper gehört Keats.«
    Hunt steht auf, als wollte er zur Tür stürzen und Hilfe holen. »Jetzt wird uns der Core doch sicher zurückkehren lassen! Sie können Sie nicht hier auf dieser gottverlassenen Welt behalten, wo es keine medizinische Versorgung gibt!«
    Ich lege den Kopf auf das weiche Kissen zurück und spüre die Federn unter dem Bezug. »Das könnte genau der Grund sein, warum sie mich hier behalten. Wir werden es morgen feststellen, wenn wir in Rom eintreffen.« »Aber Sie können nicht reisen! Wir werden morgen früh nicht weiterziehen.« »Wir werden sehen«, sage ich und mache die Augen zu. »Wir werden sehen.«
     
    Am Morgen wartet eine vettura, eine kleine Droschke, vor dem Gasthaus. Das Pferd ist eine große graue Mähre, die die Augen verdreht, als wir näher kommen.
    »Wissen Sie, was das ist?« sagt Hunt.
    »Ein Pferd.«
    Hunt streckt eine Hand nach dem Tier aus, als würde es platzen und verschwinden wie eine Seifenblase, wenn er die Flanke berührt. Es bleibt. Hunts Hand zuckt zurück, als die Mähre mit dem Schweif ausschlägt.
    »Pferde sind ausgestorben«, sagt er. »Sie sind auch nie ARNisiert worden.«
    »Das hier sieht echt aus«, sage ich, steige auf die Droschke und setze mich auf die schmale Bank.
    Hunt nimmt zaghaft neben mir Platz, seine langen Finger zittern vor Nervosität. »Wer fährt?« sagt er. »Wo sind die Kontrollen?«
    Es sind keine Zügel da, und der Platz des Kutschers ist verlassen. »Mal sehen, ob das Pferd den Weg kennt«, schlage ich vor, und im selben Augenblick setzen wir uns mit gemächlicher Geschwindigkeit in Bewegung; die ungefederte Droschke holpert über jede Bodenunebenheit.
    »Das ist eine Art Witz, richtig?« sagt Hunt, der den makellos blauen Himmel und die fernen Felder betrachtet.
    Ich huste so leicht und kurz wie möglich in ein Taschentuch, das ich aus einem Handtuch des Gasthauses gemacht habe. »Möglich«, sage ich. »Aber was ist das nicht?«
    Hunt achtet nicht auf meinen gebildeten Humor, und wir rumpeln weiter und fahren holpernd unserem wie auch immer gearteten Schicksal und Ziel entgegen.
     
    »Wo sind Hunt und Severn?« fragte Meina Gladstone.
    Sedeptra Akasi, die junge schwarze Frau, die Gladstones zweitwichtigste Beraterin war, beugte sich näher zu ihr, um den Verlauf der militärischen Sitzung nicht zu stören. »Noch keine Nachricht, M. Präsidentin.«
    »Das ist unmöglich. Severn war mit einem Tracer versehen, und Hunt ist vor fast einer Stunde nach Pacem gegangen. Wo können sie nur stecken?«
    Akasi sieht auf das Faxblatt, das sie auf dem Tisch aufgeschlagen hat. »Die Wachmänner können sie nicht finden. Die Transitpolizei kann sie nicht lokalisieren. Die Farcastereinheit hat nur aufgezeichnet, daß sie TC 2 codiert haben – hier –, durchgetreten, aber nicht angekommen sind.«
    »Das ist unmöglich.«
    »Ja, M. Präsidentin.«
    »Ich möchte mit Albedo oder einem anderen KI-Ratgeber sprechen, sobald diese Sitzung vorüber ist.«
    »Ja.«
    Beide Frauen konzentrierten sich wieder auf die Sitzung.

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