Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion
Nabelschnur durchtrennte.
Rote, für Blut zu dünne Flüssigkeit ergoß sich über Brawnes Beine und den weißen Stein. Der durchgetrennte Schlauch, der aus der Wand ragte, zuckte und schlug dann wie ein peitschendes Tentakel um sich, bevor es reglos liegenblieb und eingezogen wurde wie eine blutende Schlange, die in ein Loch kroch, das aufhörte zu existieren, sobald die Nabelschnur nicht mehr zu sehen war. Der Stumpf der Nabelschnur, der noch mit Silenus Kopf verbunden war, verdorrte binnen weniger Sekunden und schrumpfte und trocknete aus wie eine Qualle an Land. Rot spritzte auf Gesicht und Schultern des Dichters, doch die Flüssigkeit wurde vor Brawnes Augen blau.
Martin Silenus Lider zuckten, dann schlug er sie auf wie eine Eule.
»He«, sagte er, »wissen Sie, daß dieses Scheißshrike genau hinter Ihnen steht?«
Gladstone 'castete in ihre Privatgemächer und begab sich unverzüglich zur Fatlinekabine. Zwei Nachrichten warteten.
Die erste kam aus dem Raum Hyperion. Gladstone blinzelte, als die leise Stimme ihres einstigen Generalgouverneurs auf Hyperion, Theo Lane, ihr einen kurzen Abriß der Begegnung mit dem Tribunal der Ousters gab. Gladstone lehnte sich im Sessel zurück und hob beide Fäuste an die Wangen, während Lane die Behauptungen der Ousters wiederholte, sie seien nicht die Invasoren. Lane beendete die Übertragung mit einer kurzen Schilderung des Schwarms, seiner Überzeugung, daß die Ousters die Wahrheit sagten, einer Bemerkung, daß das Schicksal des Konsuls immer noch ungeklärt sei und einer Bitte um weitere Anweisungen.
»Antwort?« fragte der Fatlinecomputer.
»Empfang der Nachricht bestätigen«, sagte Gladstone. »Senden: ›Auf Empfang bleiben‹ im diplomatischen Einwegcode.«
Gladstone rief die zweite Nachricht ab.
Admiral William Ajunta Lee erschien als verwackelte Fatline-Bildprojektion – sein schiffseigener Fatlinesender arbeitete offenbar mit verminderter Energie. Gladstone sah anhand peripherer Datenkolonnen, daß die Übertragung zwischen Standard-Flottentelemetrietransmissionen codiert worden war: Techniker von FORCE würden die Einzel/Summe-Diskrepanz letztendlich bemerken, aber das konnte noch Stunden oder Tage dauern.
Lees Gesicht war blutig, der Hintergrund rauchverhangen. Gladstone glaubte in dem körnigen Schwarzweißbild zu erkennen, daß der junge Mann von einem Dockhangar seines Kreuzers aus sendete. Auf dem metallenen Arbeitstisch hinter ihm lag ein Leichnam.
»... ein Trupp Marines konnte an Bord einer ihrer sogenannten Lanzetten gelangen«, keuchte Lee. »Sie sind bemannt – fünf pro Schiff –, und die Besatzung sieht auch wie Ousters aus, aber sehen Sie, was passiert, wenn wir eine Autopsie durchführen wollen.« Das Bild veränderte sich, und nun wurde Gladstone klar, daß Lee einen tragbaren Bildgestalter benutzte, der auf den Fatlinesender des Schiffes geschaltet war. Jetzt war Lee fort und sie sah das weiße, verletzte Gesicht eines toten Ousters. Aufgrund von Blutungen an Augen und Ohren vermutete Gladstone, daß der Mann an explosionsartiger Dekompression gestorben war.
Lees Hand wurde sichtbar – man erkannte sie am Admiralsstreifen am Ärmel – und hielt ein Laserskalpell. Der junge Mann machte sich nicht die Mühe, die Kleidung zu entfernen, bevor er den vertikalen Einschnitt am Brustbein begann und sich weiter nach unten vorarbeitete.
Die Hand mit dem Laser zuckte weg, die Kamera wurde ruhig, als eine Veränderung mit dem Leichnam des Ousters begann.
Große Flecken auf der Brust des Toten fingen an zu schwelen, als hätte der Laser die Kleidung entflammt. Dann brannte die Uniform durch, und es wurde sofort ersichtlich, daß die Brust des Mannes in sich ausdehnenden, unregelmäßigen Löchern verbrannte, und aus diesen Löchern schien ein so grelles Licht, daß der tragbare Bildgestalter die Empfindlichkeit herabstufen mußte. Jetzt brannten Flecken am Schädel des Mannes durch und hinterließen grelle Nachbilder auf dem Fatlineschirm und Gladstones Netzhäuten.
Die Kamera wurde zurückgezogen, bevor der Leichnam ganz verbrannte, als wäre die Hitze unerträglich. Lees Gesicht wurde wieder scharfgestellt. »Sehen Sie, Präsidentin, dasselbe hatten wir bei allen Leichen. Wir haben keine Lebenden in unsere Gewalt bringen können. Wir haben auch noch kein Zentrum des Schwarms gefunden, immer nur neue Kriegsschiffe, und ich denke, daß ...«
Das Bild verschwand, die Datenkolonnen verrieten, daß die Sendung mitten in der Übertragung
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